Valborg - Der Alte
Review

Valborg - Der Alte

Valborg sind weird. Und zwar in dem Maße, dass sie es schaffen, gleichzeitig hermetische, bizarre Lyrik mit beinahe rammsteineskem Touch mit einem dröhnenden, eingängigen und oft minimalistischen, dafür immer beeindruckenden Doom-Sound zu verknüpfen. Ihre neue Platte “Der Alte” macht da keine Ausnahme.

  • von Haimaxia
  • 20.10.2022

Mit ihrem neuen Werk setzt die Band aus Bonn fort, was spätestens mit dem 2017er Album “Endstrand” begonnen wurde, zum Teil aber auch schon auf früheren Werken von Valborg praktiziert wurde: Düstere, oft in kurzen Gewittern dahinbretternde und vom Wahnsinn durchsetzte Lieder. Diese sind zumeist in deutschen Lyrics gehalten, die oft wie ein willkürliches Aneinanderreihen von Schlagworten und Phrasen wirken, in denen man sich auf einer poetischen Ebene verlieren und beim Versuch einer Analyse nur resignieren kann. Setzt man sich näher mit den Songs auseinander, findet man Referenzen zu Werken der SciFi-Literatur, Horrorfilmen und philosophischen Opera - oder man sieht nur ein Kaleidoskop, bei dem nichts zu stimmen scheint. Was feststeht, ist allerdings, dass Valborg genau damit zu spielen scheinen: Dass man ihre Songbausteine als eben genau die befremdlichen Fraktale wahrnimmt, die sie sind - reines Chaos, im positivsten Sinne, den das Wort hergeben kann.

Sie sind weird, weil sie mit ihren kompromisslosen, albtraumhaften Songs entweder große Begeisterung bei den einen oder ratloses Kopfkratzen bis entschiedene Ablehnung bei den anderen hervorrufen. Weil sie es schaffen, gleichzeitig mit ihrer Einzigartigkeit voll in den Kader von Prophecy Productions zu passen und mit ihrer oberflächlich platten Dampfwalzentaktik wieder überhaupt nicht (u.a. erschienen dort Alben von Alcest, Bethlehem, Dornenreich und Empyrium). Und dafür muss man Valborg eigentlich lieben oder kann sie nur hassen.

Dreizehn Stücke, deren Songlängen eben von einer Kürze von 1:38 Minuten bis zu 4:29 Minuten reichen, bauen das ca. 38-minütige Werk auf und machen “Der Alte” damit nicht nur recht kurz, sondern sorgen auch dafür, dass man wie beim schnellen Durchschreiten einer abstrakten Kunstgalerie von Gemälde zu Gemälde huscht und wie bei unruhigem Schlaf von einem verrückten Traum zum nächsten springt. Wer sich die Lyrics von Valborg anschaut, wird genauer wissen, wie dieses Gleichnis gemeint ist. Und das dürfte das faszinierendste Element der Band sein. 

Nichts auf der neuen Platte ist durchschaubar. Die Vocals variieren von verzerrtem Geschrei bis hin zu rhythmischem Klargesang in manchen Song-Peaks - vor allem “Saturn Eros Xenomorph” ist hier mit seinem hypnotischen “Ein Mensch sieht sein Ende”-Chorus hervorzuheben. Aber auch das eröffnende “Asbach” ist schon ein heftiger Einstand, welches nach noch nicht einmal 10 Sekunden mit zünftigem Noise-Charakter und unverständlichem Gesang startet und entweder die Ortschaft in der Nähe von Bonn oder den Weinbrand “Asbach Uralt” thematisiert (Ein Hinweis auf den Albumnamen?). Gefolgt vom nicht minder brachialen “Höhle Hölle”, das mit etwas klarerem Gesang daherkommt, aber nicht minder undurchsichtig ist. Ein Beispiel gefällig?

Hier ein Textauszug aus “Höhle Hölle”:

Neutronenblitz
Wolken im Maul
Stahlhaus
Unbekannte Stadt, Zeitschock, Zeitschock
Berge in Flammen, die letzte Landung
Kybernetische Auferstehung

Im Gegensatz dazu startet “Kommando aus der Zukunft” fast träge und beginnt mit gesprochenen Vocals, ehe es in eine ähnliche Richtung geht, wie zuvor - auch “Urecho” ist diesem Stil treu. Beide Stücke zeigen aber auch, dass Valborg nicht nur schnelle Brecher liefern können, sondern auch behäbige, nicht minder eindringliche Ungetüme, die einlullen und wohl schon nach vier Stücken klarmachen, dass das Trio vom Rhein sein Handwerk beherrscht. Starke, hervorhebenswerte Anspieltipps wären da noch “Verdacht im Palast”, welches zeigt, dass man auch über Raketen Gedichte schreiben kann, sowie die groovige Hasstirade “Hektor” und das irgendwie aus dem Rahmen fallende, träumerische “Sehnsucht nach Unendlichkeit” - im Grunde auch die Songs, zu denen im Vorfeld Musikvideos veröffentlicht wurden.   

Trackliste:

1.Asbach 
2.Höhle Hölle 
3.Kommando aus der Zukunft 
4.Urecho 
5.Die Glut der ersten Stunde 
6.Saturn Eros Xenomorph 
7.Hektor 
8.Der Alte 
9.Attacke 
10.Sehnsucht nach Unendlichkeit
11.Mortum 
12.Verdacht im Palast
13.Mutter des bösen Sterns 

9
PUNKTE
Bewertung

Stilistisch gibt es nicht viele neue Puzzleteile im Vergleich zu den Vorgängern, die hinzugefügt werden, außer dass die Songs eben weit kompakter aufgebaut sind. Wer sich näher mit “Der Alte” und auch den Vorgängerplatten “Endstrand” und “Zentrum” beschäftigt, wird erkennen, wie herrlich virtuos man mit Monotonie und einem so derart auf das Allernötigste beschränkten Songwriting umgehen kann: Man ist jedenfalls so eingenommen und in Trance von Valborgs Werken, wenn man sich auf diese einlassen kann, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, sowas nirgendwo anders zu finden. Und natürlich gibt es gerade im Doom-, Stoner- und Sludge-Sumpf sehr viele Bands, denen man ähnliche Etikette aufdrücken kann - aber nicht in dem gleichzeitig schlichten und niederwalzenden Stil und dem Wahnsinn, wie Valborg es tun. Chapeau!

Band

  • Valborg

Album Titel

  • Der Alte

Erscheinungsdatum

  • 09.09.2022
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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