Unter dem Radar - Au-Dessus (Post-Black Metal)
Review

Unter dem Radar - Au-Dessus (Post-Black Metal)

Von Witching Hour Productions aufgenommen und von Les Acteurs de l'Hombre aufgegriffen: Diesmal gibt es bei Unter dem Radar die innovative, litauische Kombo Au-Dessus, die mit ihrem transzendent ausgeprägten Post-Black Metal besticht. Mit nur 2 bisherigen Releases hat es die Band geschafft, ordentlich Wirbel zu machen!

  • von Haimaxia
  • 02.09.2021

Die Band wurde 2014 von ambitionierten, jungen Musikern gegründet, die auch zum Teil bei den Death Metal-Newcomern Exile Into Suffery agieren und als Paralytic von 2009 an bis zur Trennung im vergangenen Jahr harschen Technical Death Metal gespielt hatten (die einen oder anderen hatten letztere vielleicht auf dem Schirm, als die Jungs 2012 den Wacken Metal Battle gewannen). 

Mit Au-Dessus lotet das Quartett mal ganz andere Tiefen aus und widmet sich ähnlich extremer, dafür spirituellerer Musik. 2015 erschien ihre Debüt-EP, 2017 ihr bisher einziges Album "End of Chapter", welches hoffentlich kein verfrühtes, wortwörtliches Kapitelende für die vielversprechenden Musiker bedeuten soll.

Aktuelle Besetzung

Mantas - Vocals, Bass

Džiugas - Drums

Simonas - Guitars

Jokūbas - Guitars

 

Diskographie

2015 – Au Dessus (EP)

2017 - End of Chapter (Album)

 

Review zu "Au-Dessus [EP]" 

Und die [s/t]-EP beginnt heftig: Allein das temporeiche Intro „I“ lädt schon einmal die Kanonen für die Dinge, die uns mit der EP erwarten. Treibende Musik, gequälte Screamo-Einlagen, vorpreschende Radikalität als Vorhangöffner für den zweiten Track. Der bietet ein schier ewig langes Instrumental-Intro, das mit starken Psychedelic-Anleihen aufwartet, die sich zähflüssig und atmosphärisch dahinziehen. Schön „angecrunchter“ Gitarrensound, dominante Basslines und insgesamt wie ein sich aufbäumender Koloss von einem Song. Im Finale dann sogar eine wundervoll traumhafte Paarung von unbremsbarem Tempo, dessen melodische Fahrtschneise in Kombi mit den Vocals an Material von An Autumn For Crippled Children erinnert. So errichten die Litauer eine intrinsisch-depressive Atmosphäre und entführen auf einen wahrlich bewusstseinserweiternden Trip, dessen urbane Stimmung auf den Dächern großer Industriebauten es schafft, Modernität in den Black Metal zu tragen. Das und eine trauergetragene und nihilistische Luft, die sich nicht in den winterlichen Wäldern Skandinaviens abspielt, sondern mehr Nähe zeigt. Lied Nummer 3 ist da wohl auch ein gutes Zeugnis für, das mit einem penetranten und doch meditativen Bass-Tremble in den Gehörgang dringt, welches traurig daherkommt, aber dennoch erhebende Wirkung entfaltet.

Interessant, was die Burschen aus Litauen hier für gekonnt-galante Bögen vollführen: Die Songs starten drückend, langsam und düster und bäumen sich nach und nach zu höherer Geschwindigkeit und einer beeindruckenden Ästhetik im Klanggewitter auf. Klare Produktion, die doch ihr „raw“-Antlitz ein wenig beibehalten kann, wie sie das auch immer schaffen mögen. Irgendwie assoziiert man das Stückpentagon von der selbstbetitelten EP hier wieder und wieder mit den deutschen Harakiri from the Sky oder dem Fahrwasser anderer Formationen, die die Standarte der Avantgarde hochhalten. Stück Nummer 4 ist da etwas ruhiger im Gesamtbild, während mit der letzten Nummer nochmal richtig Gas gegeben wird: Hier hat man schon das Gefühl, dass die ganze Vorarbeit der ersten 25 Minuten bloß ein Aufbau für dieses Wahnsinn schürende Endfeuerwerk war. Beeindruckende Melodie, mitreißend und bohrend in ihrer Natur. Wow!

So muss das Urteil lauten: Au-Dessus errichten in der knappen halben Stunde auf ihrer gleichnamigen EP eine eindringliche Atmosphäre, die progressiv im Aufbau, melodisch im Groove und doch brutal im Gesamtklangbild daherkommt. Ja, man kann aber gleicherzeit hier träumen und die Augen schließen – trotzdem hat die Truppe aus Vilnius schon Black Metal-Blut geleckt. F*cking brutal an manchen Stellen, Deathspell Omega-Chaos mitunter. Gitarrenkaskaden brechen in jedem Stück über den Hörer hinein, die wie ein Balztanz von Unordnung und Ordnung, zerfallender Rhythmik und klarer Struktur daherkommen. Irgendwie hat der Sound von Au-Dessus ja sogar schon wieder das Mahnmal des Hardcore im Herzen, was sich vor allem im zurückhaltenden Schlagzeug und den Ausflügen in punkig-verzerrte Instrumentierung mit typischem „buzzsaw“-Sound zeigt. 

Ja, die Band ist definitiv kein typischer Vertreter des Black Metals aus Osteuropa – wer nach einem Arkona-, Loits- oder Drudkh-Klon sucht, ist hier wohl fehl am Platz. Man scheint irgendwie über dem ganzen anderen genre-verwandten Kram zu schweben mit der rauschhaften Musik der Jungs: Eben namensgetreu „au-dessus“, französisch für „oben auf, darüber“. Eher als sich im üblichen Rinnsal des Genres zu verlieren atmen die Jungs von der baltischen See die Luft ihrer Labelbrüder Thaw und schwimmen im Kanal der dissonanten Strömung zu teils hypnotischer, teils kernaggressiver Musik. Emotional fordernd, ausgeklügelt und ästhetisch. 

Trackliste:

01. I
02. II
03. III
04. IV
05. V

8
PUNKTE
Bewertung

Fünf Stücke, von denen ersterer alleine zwar funktioniert, aber im Prinzip nur als Intro zu verstehen ist, reichen sich in anfachendem Feuer und dieses im Keim erstickender Glasglocke die Hand. Das alles fügt sich zu einem äußerst überraschenden wie hörenswerten Konstrukt zusammen, bei dem am Ende ein Gedanke von innen an den Augen kratzt: Mehr davon, und zwar zügig. Blöd nur, wenn man mitunter als Hipster-Black Metal angepriesen wird. So ein doofes Prädikat.

Band

  • Au-Dessus

Album Titel

  • Au-Dessus [EP]

Erscheinungsdatum

  • 27.02.2015
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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