Under dem Radar - White Ward (Black Metal)
Review

Under dem Radar - White Ward (Black Metal)

Diesmal beleuchten wir mit White Ward eine Band, die in den letzten Jahren immer mehr über den Status als absoluter Nischen-Geheimtipp hinausgewachsen ist. Experimentierfreudige Black Metal-Klänge, Jazz-Atmosphäre, mal entschleunigt, mal brachial - klar, dass wir die Jungs in unserer Rubrik gebührend vorstellen müssen.

  • von Wolle
  • 05.11.2022

2012 gegründet waren die Ukrainer von White Ward stets sehr umtriebig und haben bereits einige Veröffentlichungen auf den Markt geworfen. Dabei waren sie nur einem erlesenen Kreis ein Begriff: Erst mit dem 2016 erschienenen Album "Futility Report" erhielten sie nach mehreren Demo- und EP-VÖs in den Jahren davor die internationale Aufmerksamkeit, die sie verdienten. Kontinuierlich hat sich die Band bisher gesteigert und die Musiker lieferten mit dem am 17. Juni erschienenen "False Light" ein Meisterwerk dunkler Klangkunst ab, das sich so richtig gewaschen hat und um das es weiter unten auch gehen soll. Wer White Ward bisher nicht kannte, sollte dies spätestens jetzt dringend nachholen.  

Black Metal und Jazz sind ja völlig entgegengesetzte Genres und kaum einer konnte sich je vorstellen, dass diese beiden jemals so gut miteinander verschmelzen könnten. Umso erstaunlicher ist, wie perfekt das funktionieren kann. White Ward haben mit dieser Mélange einen neuen Pfad betreten und beweisen in eindrucksvoller Weise, dass das Hinzufügen jazziger Elemente dem Black Metal sehr schmeicheln kann. Kaum eine andere Band würde es schaffen, trotz dieser Gegensätzlichkeiten eine perfekte Symbiose zu kreieren - und dabei wird auf Instrumental-Ebene ja lediglich ein Saxophon dem Sound beigemengt. Aber auch die ruhigen Passagen in den Stücken von White Ward sind von einem mal verspielten, mal ruhigen Charakter, genau wie es im Jazz oft üblich ist. 

Aktuelle Besetzung

Andrey Pechatkin – Vocals, Bass

Yuriy Kazaryan - Guitars

Yevhenii Karamushko - Drums

Mykola Jack - Guitars

Dima Dudko - Saxophone

 

Diskographie

2012 - I (Demo)

2012 - Illusions (EP)

2012 - When Gift Becomes Damnation/Inhale My Despair (Demo)

2014 - Sauroctonos/White Ward/Silence of The Old Man (Split)

2014 - Riptide (EP)

2015 - Walls MMXV (EP)

2016 - Origins (Compilation)

2017 - Futility Report (Album)

2019 - Love Exchange Failure (Album)

2021 - Debemur Morti (EP)

2022 - False Light (Album)

 

 Review zu "False Light"

Schlicht und unaufgeregt kommt das Cover von White Wards aktuellstem Output "False Light" daher - und man würde kaum glauben, was einen da erwartet, wenn man die Truppe nicht kennt. Und dennoch würde kein anderes Cover besser ausdrücken, was die Musik auszudrücken vermag: Tristesse, verfallen und verlassen. Einsam im Nirgendwo. Auf "False Light" reißen die Ukrainer viele Themen an, die sie beschäftigen. Sei es der Raubbau des Menschen an der Natur oder aber auch der vorgehaltene Spiegel einer Gesellschaft, die sich selbst mit Konsum, Gier und Gewalt zu Grunde richtet. Sicherlich keine neuen Themen, doch gerade in Zeiten des Ukraine-Konfliktes und einer Pandemie, die die Menschen fest im Griff hat, Themen, welche gerne ausgeblendet werden. Auch wenn die Band sich auf Social Media politisch zu dem äußert, was gerade in ihrer Heimat vorgeht, ist auf dem neuen Werk aber kein direkter Kommentar zu finden - vielleicht in der Metaphorik der Stücke versteckt.

In 67 Minuten schreiben sich die ukrainischen Post Black Metaller alles von der Seele und nehmen den Hörer auf eine Reise mit, die abscheulicher und hoffnungsloser nicht sein könnte. Nach einem typischen White Ward-Opener mit "Leviathan", welcher mit einer Länge von knapp 14 min daherkommt, folgt mit "Salt Paradise" eine eher untypische und knorrige Akustiknummer, welche mit dem markanten Gesang, der stellenweise an Nick Cave erinnert, und in seiner Gesamtheit sehr zermürbend wirkt.

"Phoenix" hingegen ist ein hasserfülltes und treibendes Stück, das live sicherlich eine Wucht ist und tollen Ohrwurmcharakter besitzt. Tremolo- Riffs, abwechslungsreiches Drumming, perfekt in Szene gesetzte Saxophon-Akzente und diverse andere Spielereien sorgen für reichlich Abwechslung. Dieses experimentierfreudige und niemals im gleichen Tenor verhallende Songwriting ist sicherlich eine der größten Stärken von White Ward und zeigt, wie vielschichtig diese Band ist. Den reinen Black Metal-Jüngern wird das Ganze wahrscheinlich zu „unrund“ sein. Etwas deplaziert wirken die Clean Vocals, welche teilweise eingeschoben werden.

Bei "Silence Circles" wird das Tempo anfangs wieder gedrosselt und zieht erst gegen Ende des Songs an. Eine grundsolide Nummer im Gegensatz zu "Cronus", das ohne nennenswerte Höhenpunkte vorbeirauscht. Wieder etwas abwechslungsreicher und experimenteller wird es beim Titelstück "False Light". Auch dieser Track liegt jenseits der 10min-Marke und zeigt wieder einmal, wie vielschichtig sich White Ward präsentieren wollen und auch können. Hier vereinen die Ukrainer wieder unzählige Genres und kreieren daraus ihre ganz eigene Metal-Suppe. "Downfall" beendet diese musikalische Achterbahnfahrt und lässt den Hörer etwas sprachlos und vielleicht mit ein oder dem anderen Fragezeichen zurück.

8
PUNKTE
Bewertung

Mit "False Light" zementieren White Ward ihren Status innerhalb der Post/Avantgarde-Black Metal-Szene und zeigen ihre stetige und beeindruckende Weiterentwicklung. Es bedarf sicherlich einiger Anläufe, um dieses Werk in seiner Gesamtheit zu erfassen, denn nur dann kann es seine ganze Stärke entfalten. Jedes Stück ist für sich ein Kunstwerk, das es zu studieren und zu erforschen gilt. Wer diese Mühen auf sich nimmt wird, mit einem Kunstwerk belohnt, welches einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Für andere mag es zu komplex und zu zerfahren wirken, nicht zu Ende gedacht. Doch spiegelt das nicht auch eine Gefühlswelt von Musikern wieder, deren Land gerade durch einen Krieg zerrüttet ist? Mag sein.

Band

  • White Ward

Album Titel

  • False Light

Erscheinungsdatum

  • 17.06.2022
Wolle

Alles fließt, nichts ist fest.

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