Vollkommen unaufgeregt und dem Namen nicht gerecht werdend, beginnt das Debütalbum „Electric Medicine“ von Northern Hammer. Wer sich im Metal bewegt, hätte jetzt wohl die 100. Second-Wave Black Metal Kombo erwartet. Oder irgendein dreckig-räudiges Black'n'Roll Projekt von Svønsé Gitårrenstrøm. Oder...
Aber nichts dergleichen. Ein bisschen Zupfen am Saiten-Stromer. Eine kleine entspannte Fingerübung wie sie jeder zum Aufwärmen nutzen würde. Eine Tonfolge, die sich vollkommen entspannt zu einem extrem langsamen Riff entwickelt. Spätestens hier würde der eine oder andere wahrscheinlich schon wegdrücken. Ich wiederum werde neugierig. Das hier, das, liebe Freunde, das hier wird jetzt richtig schnell gut - oder richtig schnell Scheisse.
Und ja, es wird Ersteres. Nach keinen 30 Sekunden „Durststrecke“ und fast greifbarer Wechselspannung in der Luft, kommt ein ähnlich unaufgeregtes Schlagzeug hinzu. Ein bisschen die Tom gestreichelt, hier die HiHat zum Schwingen gebracht und ganz vorsichtig die Bass Drum getreten – Aber nicht brachial, sondern eher wie man einen schnarchenden Hund mit dem Fuß aus dem Weg schieben würde, der es sich vor dem warmen Lüftungsloch des Kühlschranks bequem gemacht und den Weg zum kühlen Bier versperrt hat. Und das, das werde ich mir gönnen! Denn nach über zweieinhalb Minuten kommt endlich Leben in den ersten Track. Nicht, dass ich es gebraucht hätte, denn in dieser schnellen Zeit genießt der Connaisseur auch mal ein bisschen Ruhe und Dopamin Pause und warum nicht einfach mal jemand ein bisschen beim Jammen zuhören? Jedenfalls wird im letzten Drittel des Songs „Runestone“ die andere Seite von Electric Medicine gezeigt. Die treibende, die eckig kantige slappende Blues-Doom-Jazz-Stoner Seite, die gerade an solchen Tagen runtergeht wie das heilende Penicillin bei fiebrig-brennendem Urinstrahl irgendwo in der Wüste von... Minnesota? Okay, wieder einen Stereotyp zerstört. Stoner Rock braucht wohl nicht immer Wüstenkulisse sondern es reichen einfach zwei fähige Amerikaner in Form von Scott Skoog (Vocals und Drums) sowie Nick Streine an der Baritongitarre um ein grandioses Klangerlebnis zu produzieren.
Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, Highlights! Electric Medicine punktet mit Songs wie „Ragnarok“ und „Odin“, die einfach von Beginn bis zum Ende Laune machen und so gar nichts mit nordischer Mythologie zu tun haben wollen, neben dem Namen zumindest. Ein bisschen rockig, ein bisschen dreckig, ein bisschen den kompletten Laden zugedröhnt und dann auch die Stimme von Scott eingesetzt, die man in den Akkustik-Stücken sonst eher vermisst. Dies ist darum schade, da gerade dieser Akzent mit genau dem richtigen Level an Distortion noch mal etwas Seele in die Songs prügelt. Einziger Wermutstropfen ist der Rausschmeißer „The Buzzer“, der tatsächlich als solcher verstanden werden kann. Eine pure Aneinanderreihung an langgezogenen Tönen, Geräuschen, Verzerrungen, die keinem Muster folgen – praktisch wie ein klassischer Sleep-Track in 0,25er Geschwindigkeit. Dies wäre kein Problem wenn es nicht ein Viertel des doch recht kurzen Albums einnehmen würde. Aber auch hier wird es Menschen geben, denen genau das taugt!
1 Runestone
2 Desert Song
3 Ragnarok
4 Nieces
5 Odin
6 Electric Medicine
7 The Buzzer