Arcturus - Arcturian
Review

Arcturus - Arcturian

Arktur (engl. Arcturus) - hellstes Gestirn im Sternbild „Bärenhüter“, dritthellster Stern am ganzen Nachthimmel. Die gleichnamige Black Metal-Crew tanzte schon immer auf ihrem ganz eigenen, eigenwilligen Pfad zwischen Genie und Wahnsinn. Ihre neue Platte "Arcturian" ist dabei nicht minder skurril!

  • von Haimaxia
  • 11.11.2022

Als die Norweger um Mastermind Steinar “Sverd” Johnsen sich nach ihrer vierjährigen Trennungsphase 2011 wieder zusammenrauften, ging ein erleichterter Aufschrei durch die Black Metal-Szene. Nach zehn Jahren Stille (denn das Vorgängerwerk „Sideshow Symphonies“ erschien bereits 2005) kehren die Avantgarde-Kosmonauten nun aus der norwegischen Hovedstad Oslo zurück, um unter dem weiten Sternenzelt des skandinavischen Nachthimmels ihr lang ersehntes, neues Werk „Arcturian“ auf Irrfahrt zu schicken. Arcturus statuieren hier ein besonders gewieftes Exempel darüber, was in den vergangenen Jahren im symphonischen Black und Progressive Metal perfektioniert wurde und liefern zunächst allgemein gesprochen ein Album ab, das der Herausforderung der Zeit mehr als standhält. Aber wen wundert das eigentlich, wenn man sich mal die aktuelle Besetzung des Allstar-Projekts anschaut? Im Line-Up der Band finden sich durchweg nur Namen großer Black Metal-Musiker wie Borknagar-Vokalist & -Bassist ICS Vortex am Mikro, der tüchtige Hellhammer an den Drums (bekannt durch seine Arbeit bei Mayhem, Covenant, Dimmu Borgir & Immortal) und Sverd, Skoll und Knut Magne Valle, die allesamt bei Ulver aktiv waren. Dass das Konglomerat hier so viel mehr verspricht als die Summe seiner Einzelteile, sollte klar sein. Gerade deshalb und nach den unzähligen Live-Auftritten der vergangenen Jahre, in denen bereits neue Songs präsentiert wurden, harrten die Fans schon lange auf neues Material der Truppe. Und eine ganze Dekade später klingt ihr Sound noch immer vielseitig, erhaben und gleichsam traditionell wie modern. Wie das sein kann, wollen wir mal genauer beschauen.

Der Opener „The Arcturian Sign“ beginnt schon epochal und beeindruckend mit den Wahnsinn schürenden Speed-Passagen, der bohrenden, doch magischen Stimme des Vokalistenmaestros ICS Vortex und dem über allem schwebenden, symphonischen Hymnus, der den Song begleitet. Gleichsam war das eröffnende Stück auch der erste Einblick, den die Band in ihr neues Werk im Internet gewährte - und die Resonanz war gewaltig, aber polarisierend: die einen deklarierten die neue Platte als „prachtvolles Neuwerk“ und als höchstwahrscheinlich DAS Metal-Album 2015, andere kritisierten hier vor allem das Mixing, da ihnen der Drum-Sound zu plastisch und „in den Hintergrund gerückt“ vorkam. Insgesamt lagen aber alle Fans von Arcturus jetzt schon dem neuen Sound zu Füßen. Bei „Crashland“ geht es grenzenlos in Sachen Kreativität und Einfallsreichtum zu. Erhebend, eine Gratwanderung auf den höchsten Gipfeln, oder -um dem thematischen Sujet von „Arcturian“ gerecht zu werden- ein schnelles und energisches Hervorstoßen in die Weiten des Alls, auch wenn der Song eher Mid-Tempo ist. 

Richtige Black Metal-Rudimente gibt es wohl nur bei Track 3, „Angst“, der druckvolle und treibende Gnadenlosigkeit skandiert. Ebenfalls packt der Frontmann im Prinzip nur hier richtige Growling-Skills aus. Für uns ein gleichsam filigraner wie roher Höhepunkt. Auch gänzlich Black Metal-befreit kann es zugehen auf der Platte: Das hypnotische „Demon“ beispielsweise kommt fast nur mit elektronischer Untermalung aus, wirkt dabei fast wie ein Stück von Nine Inch Nails, bevor ein das Hirn zermarternder Piano-Sound dazutritt. In jedem Fall besticht der Song in erster Linie mal wieder durch die Vocals, poetisch und intensiv, wird aber den Metal-Fans, die gern Scheuklappen tragen, mächtig gegen den Strich gehen. Ein Stück wie „The Journey“ beginnt da ebenso unglaublich befremdlich, diesmal in seltsamen Computer-Soundhäppchen mit einem an den Nerven nagenden Violinen-Einsatz, dann entfaltet sich hier eine schwierig zu charakterisierende Akustik-Collage, die den Song zu einem wunderschönen Ambient-Interludium macht. Am Ende ist wohl auch das zynische „Bane“ am Ende zu betonen, welches beinahe mit einer Circus-Stimmung daherkommt – und stellenweise muss man sich gar fragen, ob man hier nicht plötzlich bei einem Humppa-Stück von Korpiklaani angekommen ist. Kein Scheiß. Während Hellhammer an den Drums weiterhin den typischen Hellhammer-Klang heraushängen lässt, hat sich in den anderen Instrumenten-Facetten der aktuellen Arcturus-Riege einiges gewandelt. Mehr Variation, nicht bloß in Melodie und im Stimm-Timbre von ICS Vortex, der durchaus mit dem quasi-opernhaften Charakter-Trademark in seinem Gesang nicht zurückhält, manchmal geradezu psychotischen Wahnsinn durchschimmern lässt, dann wieder mehr dem Black Metal-typischen Stil verfällt. In den Stücken von „Arcturian“ wirkt er einfach „on top of his game“, und man muss bewundern, zu welchen Metamorphosen er seinen Stimmapparat hier treibt. Die elektronischen Elemente sind ebenfalls mehr geworden, sind aber keineswegs überpräsent, sondern punktiert eingesetzt, variabel in Tempo und Dominanz, sehr stark an die neue Solefald-Platte „World Metal: Kosmopolis Sud“ erinnernd. Aber keine Sorge: Hier wird weder ein Industrial-Klang heraufbeschworen, noch kommt der Metal in den Stücken zu kurz, vielmehr ruft der gediegene Einsatz dieser Elemente in Kombi mit den Keyboard-Sounds eben diesen zauberhaften Raumschiff-Flair hervor. Ein symphonischer Pathos veredelt „Arcturian“ noch dazu mit dem ureigenen, finsteren Progressive-Sound, den man nur lieben oder hassen kann.

Gerade bei einer Band wie Arcturus, die auf eine so lange Historie zurückblickt und bei der eine so große Schaffenspause klafft, neigt man ja besonders kritisch darauf zu schielen, wie der Sound einer neuen Platte klingen mag. Nein, „Arcturian“ ist keine Rückkehr an ganz alte Schären, knüpft aber auch nicht so recht an den Vorgänger an, der auch schon 10 Jahre auf dem Buckel hat. Das hier ist opulente, massive Musik, die überwältigt und den Boden unter den Füßen stiehlt, mit jedem Track. Manchmal merkt man dann schon gar nicht mehr, dass einige Gitarrenparts eigentlich leicht unterdrückt sind – und das oft gedrosselte Tempo verleiht den Songs anders, als man es erwarten würde, schlicht noch mehr Wucht in ihrer mitreißenden Art. Ein reicher Expressionismus hebt die Band jedenfalls mit dem neuen Opus über andere Bands dieses Kalibers - eine lebende Legende eben, mit einem mit Fug und Recht sehr zwiespältigen Neuwerk. 

Trackliste:

1. The Arcturian Sign
2. Crashland
3. Angst
4. Warp
5. Game Over
6. Demon
7. Pale
8. The Journey
9. Archer
10. Bane

9
PUNKTE
Bewertung

Ganz individuell wird das Album seine Hörer einfangen und auf die Odyssee im Weltraum unter dem „Arcturian Sign“ mitnehmen, die einen mehr, die anderen weniger. Für unser Team kulminiert „Arcturian“ in den neoklassischen Black Metal-Passagen und wird als Gesamtkunstwerk zu einem großen Schmelztiegel so vieler Ebenen, die es in sich vereint, dass man nur die Empfehlung aussprechen kann, selbst seine Worte zur Beschreibung zu finden. Aber die Parallele von Bandname und Albumtitel kommt nicht von Ungefähr, wenn man sich mal anschaut, dass im Weltall gleichwohl tiefe Dunkelheit und ungemeine Farbenpracht vorkommt.

Band

  • Arcturus

Album Titel

  • Arcturian

Erscheinungsdatum

  • 08.05.2015
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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