Auch in diesem Jahr war die Freilichtbühne Friesack Austragungsstätte der Black Metal-Zusammenkunft UTBS. Das Programm der 24. Ausgabe des Festivals hatte es in sich: Folter Records und Triple Six Concerts konnten dieses Jahr nicht nur wieder eine erlesene internationale Garde starker Bands versammeln, sondern lieferten auch wieder ein zünftiges Destillat an Klassikern wie Nargaroth, Urgehal und Nocturnal Depression.
Tag 1
Die Reise ins Nirgendwo des brandenburgischen Havellands verhieß dieses Jahr durchwachsenes Wetter - und es gab auch zwischendurch Regen, allerdings war das alles im Vergleich zum Sintflut-UTBS 2018 eher seichter Natur. Vielleicht täuschte der Eindruck - als jedoch unser Team auf dem Campground in Friesack aufschlug, kam uns das ganze Gelände viel dichter besiedelt vor, als es in den vergangenen Jahren der Fall war, und wir sahen mehr Leute, die ihr Feldlager auf dem Campground direkt neben der Schafs- und Lamaweide (welche zwischendurch auch viel Flausch abbekamen) aufschlugen.
Charmant auch, wie sehr das Event mittlerweile zu einem kleinen Familientreffen avanciert, wenn man einige Akteure und übliche Verdächtige hinter den Kulissen kennt. Die ersten Biere geordert vertagten wir übliche Merch-Rundgänge auf Tag 2, da noch nicht alle Labels ihre Theken und Wühltische eröffnet hatten - aber das diesjährige Festival-Shirt musste natürlich direkt eingesackt werden. Wer es im Übrigen nicht geschafft hat, seines auf dem Festival zu erwerben, kann dies noch bis Ende des Monats HIER nachholen (Print on Demand - nicht wundern, falls es ein paar Tage länger als sonst dauert, bis das gute Stück bei euch ankommt!).
Paganland hatten die Ehre, das diesjährige UTBS zu eröffnen - das schamanistisch-okkulte Trio um Magus Faustoos und Charuk Revan -ebenso vertraute Gesichter auf dem Event und in zahlreiche Projekte involviert- beeindruckte mit einer akustischen Show, ähnlich wie beim Sarmoung Ensemble. Man muss an dieser Stelle betonen, dass die Exil-Iraner mit ihren anti-islamischen Riten jedes Mal überzeugen, da sie es schaffen, den Black Metal-Esprit ganz ohne eigentlichen Black Metal auf die Bühne zu bringen: Durch Mark und Bein gehende, höllische Vocals, die schon bei ihren eigentlichen Black Metal-Projekten Nashmeh und Darkestrah, um nur ein paar zu nennen, in den Bann ziehen, lieferten einen starken Einstand - und das, obwohl Paganland erst kurz vor dem Event bestätigt wurden, da es noch ein paar Lineup-Umstellungen gab. Die Musiker, die jedoch mittlerweile im Raum Berlin leben, sind ohnehin Teil des Teams und übernehmen im Grunde jedes Jahr Aufgaben beim UTBS.
Paganland / Anna Apostata
NahemiA, welche als erste Truppe alle Merkmale des blankgeschabten Black Metals abfeuerten, standen als Nächste auf der Stage - in gewisser Weise verkamen bei der Band, ursprünglich aus Polen, doch nun in Großbritannien ansässig, aber manche ihrer Show-Elemente zu klischeehaften Gimmicks. Gemeint ist, dass ja viele plakative Elemente im Black Metal-Genre durchaus ein gewolltes und keineswegs zu kritisierendes Klischee sind - NahemiA jedoch hatten mit ihrer Zurschaustellung so vieler Elemente eine teils überbordende Show, dass diese einen zu sehr gewollt satanistischen Anstrich bekam. Das Zerreißen einer Bibel und eines Korans ist jetzt nicht gerade innovativ, wenn auch ein im Grunde auf diesem Event mehr als willkommenes Statement. Frontmann Rimmon (mitsamt passendem Rimmon-Tattoo halbkreisförmig über dem Bauchnabel) trug während des Gigs einen Dolch und eine tote Ratte am Gürtel (wir erwähnen diesen Inventargegenstand ja auch immer wieder gern bei Illum Adora) - und trotz des puristischen Ansatzes, schneidender, intensiver Vocals und der soliden und mehr als überzeugenden musikalischen Leistung war die Show von NahemiA ein bisschen zu viel des Guten. Meckern auf hohem Niveau? Aber auf ganz hohem!
NahemiA / Anna Apostata
Three Eyes of the Void verzichteten auf klassische Black Metal-Stilistika und traten mehr oder weniger in schwarzer, neutraler Kleidung auf - so wurde ein weit größerer Fokus auf die nachdenkliche, introvertierte Musik der ursprünglich aus der Ukraine stammenden Band gerichtet. Ihre Debüt-EP “The Moment of Storm” von 2017 wurde noch in ihrer alten Heimat veröffentlicht - seitdem gab es lediglich Anfang 2023 ihre letzte Single “Against The One”, welche auch live auf dem UTBS präsentiert wurde. Atmosphärisch dichte, filigrane Gitarren treffen auf schneidende Vocals von Frontmann Dmytro Kvashnin, der das Projekt einst als Ein-Mann-Effort ins Leben gerufen hatte. Eine mehr als solide Show wurde vom Publikum auch entsprechend gewürdigt.
Im Anschluss wurde es immer voller vor der Bühne - während darauf noch fleißig mit allerlei okkultem Kram dekoriert wurde, gab es auch zwei Schweineköpfe, auf Instrumentenständern aufgespießt, die ihren Weg ins Bühnenbild fanden. Das verhieß eines: Die Franzosen von Hats Barn betraten die Stage des UTBS. Im Vorfeld bei unserer Redaktion nicht groß bekannt machte sich bereits nach dem ersten Song Begeisterung in unseren Reihen breit. Sänger „Psycho“ baute mit seiner erratischen, tranceartigen Performance passend zur dargebotenen Musik eine mitreißende Atmosphäre auf, die sich durch den ganzen Gig zog. Krönender Abschluss der Zeremonie war ein mit nicht mehr ganz frischem Blut gefüllter Kelch, dessen Inhalt in einer ruckartigen Bewegung seinen Weg in Richtung Publikum fand. Stank wie scheiße und klebte ordentlich. Trotzdem blieben Hats Barn ein Highlight des Festivaldonnerstags und ein Konzertbesuch lohnt in jedem Fall!
Langsam wurde es dunkel über Friesack und im Schein zweier Feuerschalen kündigte sich der nächste Act des UTBS 2023 an, Halphas. Die Truppe aus Hessen, die seit knapp einem Jahr mit Berith einen neuen Sänger hat, wusste auch direkt zu überzeugen. Kraftvoll und energisch stiegen die Jungs in ihr Set ein und wurden dafür auch gebührend vom Publikum gewürdigt. Die Setlist war eine bunte Mischung der ersten beiden Alben "Dawn of the Crimson Empire“ und "The Infernal Path into Oblivion“ und ließ mit eingängigen Songs wie "Through the Forest“, "Into Eternity We Ride“ und "Forever Spellbound“ beinahe keine Wünsche offen. Wie wir später hörten, war sich die Crew zur Position der großen Feuerschalen zunächst nicht ganz einig und man befürchtete vom Sound, dass die Flammen einiges an Gear auf der Bühne beschädigen könnten - und es war höllisch heiß, wenn man sich unmittelbar vor dem Graben wiederfand! Insgesamt wieder eine Top-Performance der Jungs, Halphas kann man sich live einfach immer wieder ansehen und bekommt so nur noch mehr Bock auf das kommende Album!
Halphas / Anna Apostata
Messiah, die den ersten Abend beenden sollten, zeigten sich nicht bloß als regelrechte Urgesteine auf dem diesjährigen UTBS-Billing, die mit ihrem Black/Death/Thrash-Blend bereits seit den frühen 80ern die Szene unsicher machen - nein, die Schweizer um Gitarrist Brögi, Bassist Patrick Hersche und Drummer Steve Karre brachten auch ordentlich Abwechslung ins Programm, von dem man fast sagen konnte, dass es mit Black Metal in Reinkultur viel Einheitliches gab - doch Messiah fielen aus dem Raster und stachen heraus. Vor allem bemerkenswert war die Tatsache, dass unser Team erst 2021 Messiah in ihrem originären Ensemble mit Andy Kaina bezeugen durfte, welcher im November 2022 im Alter von bloß 53 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb.
Neuer Sänger ist Marcus Seebach, u.a. bekannt von Masquerade, Rätier und Taste of Tears. Was man schnell bemerkte, war, dass Messiah -trotz der Tatsache, dass manche Black Metal-Hungrige nach Halphas entweder nur noch an der Bar hingen, oder sich bereits in ihre Camps verzogen hatten- ordentlich aufdrehen konnten und keine Anzeichen für Müdigkeit durchschimmern ließen. Neben neueren Stücken wie dem Opener “Sacrosanctus primitivus”, dem rasanten Brecher “Singularity” oder “Morte al dente” vom 2020er Comeback-Album (darf man das so nennen?) gab es aber auch mit “Enjoy Yourself”, “Living with a Confidence” oder dem Titel-Track des Kult-Albums “Extreme Cold Weather” einige Klassiker auf die Ohren, die insbesondere der Fanbase von Messiah das Herz haben höher schlagen lassen. Einziger Kritikpunkt: Die Vocals von Seebach kleiden den Sound der Band in ein anderes Gewand - eines, das den Death Metal-Charakter mehr unterstreicht. Die Messiah von einst wird man wohl nicht mehr hören können - aber ist das wirklich ein Kritikpunkt? Mehr eine erwähnenswerte Tatsache, die dem starken Auftritt aber keinen wirklichen Abbruch tut.
Auf dem Campground pflegte man noch einige Freund- und Bekanntschaften, ehe man sich -zumindest unsererseits- nach langer morgendlicher Anreise auf die Matratze warf. Erste Regentropfen verschlief man entweder oder lachte ihnen mit einem Bier in der Hand entgegen.
Messiah / Anna Apostata
Tag 2
Nachdem wir Wolfsgrimm Records und Sól Records, denen wir wohl am meisten Vinyl an diesem Event abkaufen mussten, einen Besuch abgestattet hatten, legte gegen 14 Uhr die erste Band los: Bestial Bukkake - ein Name, der schon im Vorfeld entweder die Augenbrauen voll Skepsis in die Höhe schießen ließ oder einfach nur ein schelmisches Grinsen auslöste. Die Newcomer veröffentlichten erst kurz vor dem Event ihre Debüt-EP “Masculine Metal Mutilation” - und diese ist zwar nicht ganz ohne Augenzwinkern und Selbstironie gezimmert worden, wer jedoch stumpfen Death Metal oder gar Grindcore erwartet, hat weit gefehlt: Bestial Bukkake aus Aschaffenburg stellen sich zwar thematisch als “Toxic Masculinity-The Band” dar, treten in Wifebeatern und Unterhemden samt Hosenträgern und Sturmhauben auf und garnieren ihren “Auf die Fresse”-Black Metal gerne mit Einspielern, deren intellektuelle Bandbreite von Nietzsche über Erläuterungen der Bukkake-Sexpraktik bis hin zu Lobliedern auf Drogenkonsum reicht - aber sie konnten einen herrlich intensiven Wachmacher zum Auftakt des zweiten Festivaltages liefern, der es in sich hatte. Etwa zur Hälfte gab es noch einen Gastauftritt und ein weiterer Sänger betrat die Bühne - und wer genau hinschaute, konnte unter der Sturmhaube ein vertrautes Gesicht ausmachen, das im Grunde jedes Jahr beim UTBS -mal auf und mal vor der Bühne- zu finden ist. Wir wollen aber nicht zu sehr aus dem Nähkästchen plaudern, oder?
Bestial Bukkake / Anna Apostata
Den Anschluss an die Bukkake-Fraktion machten nun Auro - die Truppe aus Augsburg besteht zu großen Teilen aus der Formation von Drudensang und besticht durch melodischen, schnellen und eingängigen Black Metal-Sound – gepaart mit der Bühnenpräsenz von Sänger „Dragg“ ergab sich den schon zahlreich Erschienenen vor der Bühne ein stabiles Gesamtbild. Wem die Jungs noch kein Begriff sein sollten, der sollte sich das Debütalbum „Auro“ von 2020 Mal genauer anhören. Daraus bestand im Groben auch die Setlist der Truppe – besonderes Highlight dürfte aber wohl der Song „Ouroboros: Schuppengott“ darstellen – schön roh, leicht melodisch, für unsere Redakteure voll ins Schwarze getroffen.
Mit Malphas aus der Schweiz stand die erste Sängerin des UTBS auf der Bühne - und auch wenn man ein wenig das Gefühl bekam, dass die junge Truppe noch etwas unbeholfen auf der Bühne agierte, so ist dennoch zu unterstreichen, was für einen furiosen Sound man auf dieser transportierte. Vor allem das Titelstück "Of Flesh & Blood & Cosmic Storms" ihres erst im März erschienen dritten Albums hatte es in sich - und hier gegen Ende hatten Malphas auch jedes Restchen Steifheit abgeschüttelt und das Publikum, bis dahin trotz ihrer Vorgänger noch nicht so riesig, wuchs und wuchs. Was ebenfalls auffällt, ist, dass Malphas in Sachen Songwriting nicht nur viel Abwechslung in ihren langen Stücken präsentieren, sondern es auch schaffen, im Grunde jeden Song in einem starken, wuchtvollen Finale enden zu lassen.
Ad Mortem aus Sachsen waren die nächsten auf dem Programm des UTBS 2023. Die Truppe um „Erik Aggressor“ -seines Zeichens Bandleader der Berliner Black/Thrasher Frantic Aggressor und rechte Hand des UTBS-Veranstalters- machte keine Gefangenen auf der Bühne und prügelte den Anwesenden ihren rohen, deutschen Black Metal um die Ohren. So bewies man wieder einmal, dass Black Metal auch ohne große Showeinlagen auskommen kann. Songs wie „Dem Tod zu Ehren“ und „Der letzte Feind“ sorgten an diesem Freitagnachmittag für begeisterte Zurufe aus dem Zuschauerraum.
Ad Mortem / Anna Apostata
Langsam füllte sich das Infield des UTBS dann auch so richtig: Es war 18 Uhr – Zeit für Nornír, die Bühne zu betreten. Die Gruppierung aus Freiberg in Sachsen genießt unter den Besuchern des Under The Black Sun-Festivals schon einen gewissen Kultstatus. Im Schein zweier Feuerschalen, die wohl ein paar Stunden später noch mehr zu Atmosphäre beigetragen hätten, spielten sich die Vier gekonnt und routiniert durch ihr Set, das sich dem ersten Album „Verdandi“ und der EP „Urd“ bediente und das mit Tracks wie „Pest“ und „Transzendenz“ aus absoluten Krachern bestand. Zum letzten Song „Valhalla's Call“ gab Sängerin „Lethian“ die Gitarre aus der Hand und gab noch einmal alles. Eine starke, hochkarätige und rasante Performance, die vom Publikum auch absolut ausufernd gefeiert wurde. Nornír sind live einfach immer ein Highlight - und scheinen unter der Black Metal-Gefolgschaft im deutschen Osten einfach immer zu punkten!
Darvaza konnten sich in den letzten Jahren nach der Pandemie als herausragende Live-Band einen Namen machen. Die Band um Frontmann Wraath aus Norwegen und Gionata "Omega" Potenti aus Italien -nebst gefühlt tausend anderen Projekten (darunter u.a. Frostmoon Eclipse, Nubivagant) an diversen Instrumentalämtern, diesmal an der Gitarre- ist eigentlich als Duo unterwegs, kann aber mit ihren Live-Musikern zusammen jedes Mal eine unheilige, unbequeme und beklemmende Atmosphäre auf die Bühne bringen. Mit Songs wie "Towards The Darkest Mystery" und dem zugehörigen "Lucifer, light my path"-Chor, der zum Mitgrölen einlädt, einem immerzu bohrenden, eindringlichen Sound und der aggressiven Attitüde des Sängers sind Gigs von Darvaza jedes Mal eine Erfahrung - so auch hier auf dem Gelände der Freilichtbühne Friesack. Drohgebärden, rastloses Umherlaufen, zwischendurch ein gegen den Kopf hämmerndes Mikrofon - Wraath gab wirklich alles, um seiner Hörerschaft klarzumachen, dass es sich hier nicht nur um böse Musik handelte, die von der Bühne über den Plan hallte, sondern schrie und spielte sich regelrecht in Trance, sodass man meinte, er würde gleich die ganze Bühne zerlegen. Nach mehreren starken EPs erschien das Debüt "Ascending Into Perdition" erst vergangenes Jahr bei Terratur Possessions - und dieses wurde auch hier gebührend und schweißtreibend vorgestellt. Purer Wahnsinn.
Darvaza / Anna Apostata
Auch Spectral Wound sind über die letzten Jahre zu einem richtigen Phänomen geworden: Spätestens seit dem 2021er Werk "A Diabolic Thirst" ist die kanadische Band aus dem Raum Quebec, der ohnehin für hochkarätigen Black Metal berühmt ist, in aller Munde. Schneidende, kalte Riffs, eine dichte Atmosphäre und ein geradezu stürmisches Songwriting, ohne dass dem Zuhörer so recht eine Ruhepause beschert wird, zeichnen den hoffnungsbefreiten Klang von Spectral Wound aus, der exzellent live präsentiert wurde - oft macht man als Zuhörer ja Abstriche, wenn man die Stücke kennt, weil man weiß, dass diese live nicht 1 zu 1 gleich klingen *können*, doch die Kanadier schafften es auf dem diesjährigen UTBS zumindest sehr nahe heranzukommen, was vor allem am herausragenden Stück "Frigid and Spellbound" deutlich wurde. Nicht umsonst wurden Spectral Wound als einer der Acts des Tages gehandelt und konnten diesen hohen Erwartungen auch gerecht werden.
Spectral Wound / Anna Apostata
Die Schweden von Craft stehen wie keine andere Black Metal-Combo aus Skandinavien für den Sound der 2000er Jahre - vor allem das Album-Tripel "Total Soul Rape" (2000), "Terror Propaganda" (2002) und "Fuck The Universe" (2005) ist Liebhabern rustikaleren Mid-Tempo-Black Metals mit treibenden Drums und Death Metal-Nähe ein kleiner Goldbarren. Auch das letzte Werk "White Noise and Black Metal" von 2018 war in aller Munde - danach war es stiller um die Band aus Dalarna und Frontmann Mikael "Nox" Pettersson. Als die Meldung kam, dass Craft in Friesack einen exklusiven Gig spielen würden, nachdem ihre Auftritte in den vergangenen Jahren rar gesät und nur ausgewählten Festivals vorbehalten waren, war die Freude groß. Leider kam der UTBS-Gig -nett gesagt- vollkommen demotiviert und eher müde daher und die Band hatte sich einen gewaltigen Bock geschossen. Nox schien seine eigenen Texte ablesen zu müssen oder war zumindest oft ziellos auf der Stage umherwandernd mit Blick gen Setlist zu sehen - richtige Stimmung, geschweige denn ein immersiver Sog, wie es sein sollte, kam nicht auf. Bitte noch einmal, aber dann nur, wenn die Band auch Bock hat, überhaupt aufzutreten - denn diesen Eindruck gewann man ganz und gar nicht, so harsch diese Worte klingen mögen. Schade!
Fieberhaft wurde auch der Gig von Nargaroth erwartet - keiner anderen Black Metal-Band aus Deutschland eilt ein so zwiegespaltener Ruf voraus. Für die einen ist die Musik von Maestro Ash die Speerspitze und das Non Plus Ultra dessen, was das Genre in der Bundesrepublik hervorgebracht hat, für andere ist die Hybris und der Pathos, mit dem der Musiker und sein Live-Ensemble zu Werke gehen, einfach "too much". Gleich, welche Position man einnimmt, so muss man einfach die starke Live-Präsenz loben, die einen sofort in den Bann zieht. Gekonnt und professionell spielten sich Nargaroth durch ihr Set, das einmal quer durch die Bandhistorie führte. Dabei dürfen Klassiker wie "Erik May you Rape the Angels", "Hunting Season" und natürlich "Black Metal ist Krieg" nicht fehlen. Auch die inhaltliche Zweiteilung des Gigs ist stimmungsvoll inszeniert. Als obligatorischer Abschluss brachte "Seven Tears are flowing to the River" noch einmal die Menge zum Kochen, bevor sich die Truppe von der Bühne verabschiedete. Ein klasse Auftritt.
Nargaroth / Anna Apostata
Der Festivalfreitag endete mit einer DSBM-Infusion von Nocturnal Depression aus Frankreich. Nicht nur war die Setlist eine entrückte, hoffnungsbefreite Talfahrt, auch starben Herr Suizid, Lord Lokhread und Sattvahr regelrecht vor, was man bei der Musik von ND fühlen muss. Von Ansagen á la "This next one ist very intense", wo man zynischerweise beinahe von Ironie sprechen muss, da jeder Song der Combo im Grunde das Innerste nach Außen kehrt, wenn man sich auf die tieftraurige Musik einlassen kann, bis hin zu "Now there will be a song to die to" trafen die Akteure voll ins Mark. Insbesondere "Dead Children" oder "Spring" von der "Four Seasons to a Depression"-Demo sind da die absoluten Sargnägel. Auch eines der neueren Stücke, "When My Time Has Come To Die", hatte es in sich. Nicht zu lange drüber nachgrübeln, sonst musste man unweigerlich schlaflos die Nacht verbringen. So etwas muss DSBM schaffen!
Tag 3
Die Österreicher Karner eröffneten den Samstag und wer Undergrounded schon etwas länger verfolgt, der weiß auch, dass die Band uns sowohl mit ihrem Debüt "Untam Liacht tota Stern", als auch der Nachfolge-EP "Berg wocht" ordentlich begeistern konnte. Auch live punkteten die Jungs aus Villach in Kärnten, auch wenn ihr Publikum zum Pech vieler Festivalbesucher um 14 Uhr noch eher kleiner ausfiel. Nach dem Brecher "Am Gräbaföld" präsentierte die Band im Grunde alle Highlights ihres Full Length-Debüts - vor allem sind dabei der Opener "Wöltnzastöra" und das Stück "Totntonz" hervorzuheben, zu welchem sich Fronter B.S.Death auch eine passende Schädelmaske aufsetzte. Ein starker Auftakt, der natürlich zu späterer Stunde weit intensiver hätte wirken können.
Karner / Haimaxia
Ebenfalls aus Österreich standen als Nächstes Varulv auf der Bühne des UTBS - wer noch nicht genug von österreichischen Dialekten bekommen hat, kam hier nicht nur klanglich, sondern auch optisch auf seine Kosten: Varulv trugen neben Corpsepaint auch typische Jägerhüte, die sie zunächst einmal sehr skurril wirken ließen - wer aber meint, die Musik der Band trüge nicht das Finsterste in sich, der sollte sich mal ihr 2020er Album "Kerker, Todt und Teyfl" reinziehen, welches unter den Fittichen von Talheim Records erschien. Gerade Songs wie "Der Leichenfresser" haben es da in sich - und Varulv schafften es mit Leichtigkeit, Sagen und Brauchtum mit althergebrachten Black Metal-Vibes zu verknüpfen, wenn auch ihre Vorgänger mehr in Sachen Atmosphäre abliefern konnten. Stark!
Silva Nigra aus Tschechien lieferten im Nachgang eine nicht minder solide Leistung ab. Wer die Band nicht auf dem Schirm hat, der könnte beim Blick auf Metal Archives doch glatt verwundert sein, wenn man sieht, dass die Truppe bereits seit den 90ern aktiv ist - und doch einen nicht allzu großen Bekanntheitsgrad aufweisen kann. Sänger Crna Smrt ist auch erst 2022 zur Combo dazugestoßen - und ist unserem Team kein Unbekannter, handelt es sich doch um Osman "O" Ramadanovic, dem bosnischen Tausendsassa, der in unzählige Projekte verwickelt ist, allen voran Obskuritatem, Void Prayer und Sulphuric Night, welche wir alle auch auf den vergangenen Ausgaben des Howls of Winter Festivals in Tallinn / Estland bezeugen durften. Wir staunten nicht schlecht! Trotzdem blieb die Show von Silva Nigra nicht sonderlich tief im Gedächtnis, auch wenn gerade ein "Infernální sabat transcendence" vom jüngsten Werk "Svetlonos" ziemlich stark rüberkam.
Den Anschluss machten die Hamburger von Totenwache - dass die Jungs längst kein Geheimtipp mehr sind, erkannte man auch daran, dass der Platz vor der Bühne langsam immer dichter besiedelt wurde. Seit ihrer 2020er EP „Kriegswesen“ hat die Truppe nur an Beliebtheit zugelegt und so wundert es nicht, dass der Auftritt für viele mit Sicherheit ein Highlight des diesjährigen UTBS darstellte. Die Setlist umspannte dabei sowohl das erste Album, als auch besagte EP, und wartete zum Schluss mit einem Schmankerl für die Freunde finnischen Black Metals auf, nachdem man ein beherztes "Ihr Wichser, wollt ihr Slayer oder Iron Maiden hören?" übers Gelände schallen ließ. Toller Auftritt, der nach Wiederholung schreit.
Totenwache / Anna Apostata
Tsatthoggua, deren Auftritt als ordentlich kultiges Happening erwartet wurde, konnten neben ihren Outfits zwischen SM-Gear und Fetisch-Klamotten und aggressiv-animalischem Umtreiben zwar ordentlich zünftigen, rohen Black Metal liefern, kamen aber auch nicht gerade mit großen Einfallsreichtum oder einem mitreißenden Sog daher. In regnerischem Nachmittgstief des dritten Festivaltags schienen nur wenige Besucher richtig abgeholt worden zu sein - was schade ist, da die Band aus dem nordrhein-westfälischen Marl auf eine 30-jährige Historie zurückblicken kann, allerdings auch eine große Lücke zwischen 2000 und 2019 aufweist, in der in Sachen Musik nicht viel passiert ist und die Musiker sich eher in anderen Projekten austobten oder gar keine Musik schmiedeten. Die Platten "Hosanna Bizarre" und "Trans Cunt Whip" haben Liebhaber des untergründigsten Sounds im Deutschland der 90er sicher genau im Kopf - die erste VÖ seit Neuformierung war die Compilation "Hallelujah Messiah" von 2020. Auch ein paar neue Killer gab es auf die Ohren: "Gloria Extazia" und "Vorwärts Vernichter" überzeugten, doch insgesamt hätte man mehr erwartet von einer Band, der solch ein Ruf vorauseilt.
Auch Elite konnten uns nicht so richtig aus dem Trott des dritten Festivaltages wachrütteln. Eigentlich ein besonderer Eintrag bei Folter Records, die mit ihrem 2008er Werk "We Own The Mountains" zuletzt bei Joerg veröffentlichten - seitdem war es aber eher still um die Truppe. welche bis auf wenige ausgewählte Festival-Gigs im Grunde seit dem 2009er Auftritt -ebenfalls beim UTBS im Billing- kaum andere Live-Termine gespielt hatte. Besonderes Gimmick: Man spielte das komplette Debüt-Album "Kampen" von 2004, welches offenbar -in unserer Redaktion eher ein Gähnen auslösend- einen gewissen Kultstatus genießt. Und ja, gewiss hatte die Band mit ihrem teils paganen Enslaved-Anstrich und ihrem Midtempo-Black Metal einige getragene Songs auf Lager, die ihre Hörerschaft zum Kopfnicken anregen konnten, aber so richtig vermochten auch die vier Norweger uns nicht zu verklickern, wieso ausgerechnet sie Norwegens wortwörtliche "Elite" stellen sollten. Zudem gab es -übrigens auch bei Tsatthoggua- ein paar Soundprobleme, die dem allgemeinen Eindruck nicht gerade gut taten, die man aber auch schnell im Griff hatte. Another place, another time... auf dem 24. UTBS konnten Elite leider nicht so einschlagen.
Mit doch recht eindeutiger Verspätung betraten die Jungs von Drudensang endlich die stimmungsvoll dekorierte Bühne, um zwischen Knochen und Feuer ihre Show zu starten. Trotz des weiter anhaltenden Regens war es gerammelt voll vor der Bühne. Routiniert, aber voller Energie zog die Truppe aus Bayern ihre Show erbarmungslos und ohne Gefangene durch und waren definitiv eins der absoluten Highlights der diesjährigen Ausgabe des Under the Black Sun-Festivals! Zum Intro von „Raserey der Krampen“ zogen wortwörtlich die Krampen, 5 an der Zahl, mit Fackeln durch das Publikum - eine stimmungsvolle Showeinlage, die den Auftritt noch deutlicher ins Gedächtnis brennen mochte. Den Abschluss dieses fantastischen Auftritts markierte „Die Watzmannsage“. Drudensang sollte man einfach nie verpassen!
Drudensang / Anna Apostata
Im Anschluss wurde es schön old-school: Die Norweger von Koldbrann kamen mit bester Spiellaune auf die Bühne und rissen mit Vollgas alles ab. Mit einer Setlist, die neben alten Klassikern wie "Fortapelse i svovel og helvetesild" vom Erstling "Nekrotisk Inkvisition" und "Opium Fields Forever" von der 2008er EP "Stigma: På kant med livet" auch einen neuen Song namens "Machine of Mayhem" im Gepäck hatte, gaben die Norweger alles. Die energetische Performance von Schreihals Mannevond sorgte bei der Meute vor der Bühne für ordentlich Begeisterung und so konnten sich Koldbrann auch an diesem Tage wieder als eine Live-Gewalt behaupten.
Mit mittlerweile knapp 35 Minuten Verspätung betraten die Urgesteine von Urgehal sehnlichst erwartet die Bühne in Friesack. Weder die Verzögerung, noch der einsetzende Regen konnten die Stimmung vor der Stage negativ beeinflussen. Mit "Goatcraft Torment" und einem Tribut an den Verstorbenen Trondr Nefas stieg die Truppe direkt stark ein und ging in die Vollen. Vollgas ohne Rücksicht! "Dødsmarsj til Helvete" trieb die Stimmung nur noch weiter an. Der mittlerweile immer stärker werdende Regen schlug trotzdem keinen Keil in die Besucher die Reihen vor der Bühne und diese blieben ungebrochen. Mit den ersten Takten von "Nekromisantrop" kames zu einem Wechsel an der Sängerfront: Morten Shax legte das Mikro ab und wurde durch Sorath Northgrove von Vulture Lord ersetzt, der den Rest des Gigs performen sollte. "Stesolid Selfdestruction to Damnation" und "The Necessity of Total Genocide" verlangten der Crowd nochmal alles ab, bevor mit "Mirror Satan" und einem letzten Gruß an den gefallenen Bruder Trondr einer der Stopps auf dem "Dødsmarsj for Nefas" beendet wurde. Eine grandiose Zurschaustellung norwegischen Black Metals!
Urgehal / Anna Apostata
Wer sich vom immer stärker werdenden Regen nach den Killer-Auftritten noch nicht niedergewalzt und totmüde in sein Zelt fallen ließ, konnte sich mit dem Grand Finale, Forgotten Tomb, noch auf emotionaler Gratwanderung den Knockout verpassen lassen - unsereins ließ sich wohlig in den Schlaf der Gerechten schreien, denn die Italiener runden jedes Event ab, nachdem wir über den nassen Wiesenboden schlenderten, der langsam mit Limetttenschalen vom Cocktail-Stand, Kippen und angekokelten, durchnässten Papierfetzen von NahemiAs Bibel- und Koran-Schändung auch zwei Tage später eins wurde.
Fotos: Anna Apostata
Bericht: Sebi & Haimaxia