13.11.2021 - HELVETE OBERHAUSEN - CARADRAS + VENDUL + RUINEN
Review

13.11.2021 - HELVETE OBERHAUSEN - CARADRAS + VENDUL + RUINEN

Vergangenen Samstag, 13.11., fand sich im Helvete Metal Club ein starkes und abwechslungsreiches Band-Package ein. Der Anlass: Die Black Metal-Band Caradras durfte im Oktober den Release ihres Debüt-Albums „Schattenkönige“ feiern und lud dazu Freunde und Genre-Anhänger nach Oberhausen ein.

  • von Haimaxia
  • 20.11.2021

Ursprünglich mit vier Combos geplant, mussten leider die eigentlich als Headliner gedachten Hexer ihren Auftritt aus Corona-Gründen absagen. So wurden Caradras doch zum finalen Act des Abends – im Vorprogramm gab es die angeschwärzten Speed-Derwische Vendul, sowie Ruinen aus Marburg.

Ruinen / Foto: Haimaxia

Zunächst leiteten Letztere den Abend mit ein paar neuen Stücken und Songs ihres Demos „Gott mög’s vergelten“ ein. Tatsächlich klingt dieses noch recht „verroht“ und nach low quality, was hier aber nichts Schlechtes ist: Widerhallendes, dichtes Geballere geziemt sich ja eigentlich für eine untergründige Demo-Veröffentlichung. Von daher war es schön, dass man die harschen Töne zwischen dichten Black Metal-Fluten mit Death-Charakter (auch wenn die Combo diesen ungerne attestiert zu bekommen scheint) und durch Mark und Bein gehende Vocals von Frontmann Treibjagd mal live erleben durfte. 

Die tatsächlich in den stimmig betitelten Songs wie „Verräter“ oder „Todgeweihter“ verborgenen Lyrics bleiben dabei eher unzugänglich – wobei der Band auf Metal Archives als einziges Textthema Judas Iscariot zugeschrieben wird, was zu den Titeln passt. Was sich auf musikalischer Ebene als eklatante, schnörkellose Raserei entpuppte, wurde im Endeffekt zum perfekten Start in den Abend. Ob da eine Gitarrensaite riss, oder nicht, fiel jedenfalls nicht negativ ins Gewicht. Gerne mehr davon!

Vendul / Foto: Haimaxia

Vendul sorgten im Folgenden mit ihrem schweißtreibenden Sound irgendwo zwischen Speed Metal, Venom-Vibes und zünftiger Punk-Attitüde für ordentlich Furore vor der Bühne: Unser Eindruck war, dass viele die noch junge Band aus Arnsberg gar nicht richtig auf dem Schirm hatten, so überrascht waren die Gesichter. Man warf sich von Sekunde 1 an gerne in einen kleinen Moshpit und war direkt von der Spielfreude der Herren auf der Bühne angetan. Mit einem gewissen Retro-Charme (nicht bloß wegen des sexy Schnurrbarts von Sänger Muck) holten diese ihre Hörer aber auch ohne Umschweife ab und präsentierten Songs ihrer neuen EP „Crooked Bogs & Ghastly Swamps“, wie beispielsweise das rasante „Cursed Incantation“. 

Zwischendurch stürzte sich der Sänger gar mitsamt des Mikros an langem Kabel mehrfach in den Pit vor der kleinen Bühne – was so auch nur in einem kleinen Club-Konzert passieren kann. Bei so einer energischen Performance verzeiht man auch, wenn man bei diesem Vorhaben dem Bassisten versehentlich die Strippen zieht und man einen Song neu beginnen muss. Und in welch gnadenloser Kurzweil der Auftritt verging verrät definitiv, wie viel Spaß der Auftritt der Band machte, zumal auch Stimmen im Publikum laut wurden, dass dies deren erstes Konzert nach anderthalb Jahren Pandemie war – umso geiler, dass sie dieses an jenem Abend im Helvete verbrachten. Vendul sind definitiv eine Band, die man auf dem Radar behalten sollte!

Caradras / Foto: Haimaxia

Teile der Musiker von Caradras dürften Genre-kundigen bereits von Frigoris bekannt sein – so steht Frigoris-Frontmann Dominik Winter hier vornehmlich an der Gitarre und unterstützt gelegentlich in den Vocals, während Bassist Max Stiefermann auch hier sein Amt ausübt. Auch Drummer Pelle gehörte zum Ensemble von Frigoris. Nachdem Caradras, gegründet 2010, zunächst im Jahr 2015 ihre erste Demo „Ex Nihilo“ veröffentlichten, war es danach neben regelmäßigen Einzelauftritten recht still um die Band, bis im Frühjahr angekündigt wurde, dass man für das erste Album Hand in Hand mit Black Sunset, Sublabel von MDD Records (u.a. Asphagor, Hyems, Suidakra, Thormesis), gehen würde.

Um das Erscheinen des Debüt-Werks gebührend zu zelebrieren, sollte an diesem Abend auch das Album in Gänze live präsentiert werden: Und dass Caradras mit ihrem Erstling ein nicht bloß in Text und Komposition ausgeklügeltes, sondern auch auf musikalischer Ebene brachiales und niederwalzendes Opus abgeliefert haben, wurde gleich zu Beginn mehr als deutlich. Mit dem eröffnenden „Im Nebel“, das noch vergleichsweise verhalten beginnt, zogen die aus Essen stammenden Jungs das Publikum vor die Bühne. Wer sich in den Büchern von Tolkien und dem Herrn der Ringe auskennt, wird wissen, dass viele Stücke genau diese Motive zum Vorbild haben. Trotzdem sollte man Caradras (auch der Bandname kommt ja nicht von ungefähr) keineswegs als Fantasy-Black Metal-Band abstempeln: Nicht nur verknüpft Sänger Caranthir die Themen und Geschichten aus dem Tolkien-Werk mit zeitgenössischen, modernen Sachverhalten, mitunter fungieren die Herr der Ringe-Anspielungen auch als Metaphern für so viel mehr, welches sich hinter den exzellenten Texten verbirgt. 

Auch gänzlich ohne HdR-Inspiration kommen da Stücke wie “Siegel, gebrochen” aus, welches sich eines Weltuntergangs-Narrativs bedient und textlich an die Offenbarungstexte der Bibel angelehnt ist, oder beim Titelsong des Albums, der sich an Texten von Georg Heym orientiert, aber genauso gut auch auf die Storyline des Herrn der Ringe gemünzt werden kann. Man merkte sehr deutlich, wer im Publikum bereits die neuen Stücke verinnerlicht hatte (Freunde der Band durften ja ohnehin schon weit vor Release in das Material reinhören) - und was Caradras hier an beeindruckenden neuen Songs zusammengeschustert haben, hat es wirklich in sich.

Wer die Demo kennt, dem dürfte auch „Drums in the Deep“, der einzige englischsprachige Song auf dem Album, bereits ein Begriff sein, der hier noch einmal neu aufgenommen wurde (im Übrigen zeichnet sich niemand Geringeres als Markus Stock / Klangschmiede E fürs Mastering aus). Hier wird noch einmal die Vorliebe der Band für die Saga aus Mittelerde deutlich: Progressiv und bedrohlich baut sich das Stück mit Lyrics von J.R.R. Tolkien immer mehr auf und bricht in einem eindrucksvollen, kaskadischen Finale auf die Hörer ein. Auch live ein wahrer Hammerschlag, zumal das Stück für Anhänger der Band auch ein Erkennungsmerkmal über all die Jahre geworden ist.

Das Grande Finale markierte nach dem letzten Stück „In den Grüften“, bei dem noch einmal das Tolkien-Universum betreten wird, aber noch ein besonderes Cover: Als Hommage präsentierte die Truppe noch on top den Song „Ich bin die Leere“ von Helrunar, mit denen Caradras auch gerne verglichen werden – eine Parallele, die hier gerne gezogen werden darf, wer die Jungs noch nicht auf dem Schirm hat, und die auch keineswegs vermessen ist.

Alles in allem stehen Caradras anderen Genre-Kollegen in Sachen Bühnenpräsenz und heißblütiger Stimmung in nichts nach – gerade die Vocals von Caranthir müssen an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden, die im Vergleich zum Demo raubeiniger und vom Timbre schneidender klingen, was die Stücke noch eindringlicher gestaltet, während man auch die Leistung an den Instrumenten hervorheben muss - dass die Musiker mit Frigoris bereits ordentlich Expertise und ein Gespür für gute Kompositionen mitbringen, hatten jene erst vergangenes Jahr auf ihrem letzten Werk “...in Stille” unterstrichen. Auch “Schattenkönige”  ist ein starkes Machwerk geworden, das unser Team in Kürze noch näher beleuchten wird. Während das Helvete vielleicht nicht mit perfekten Akustik-Verhältnissen aufwarten kann, konnte man aber trotzdem mit Fug und Recht behaupten, dass die Songs live einen besonderen Sog und eine tiefschürfendes Naturell erhielten, welches das Hören der Platte allein übersteigt.

Im Grunde gibt es nur einen einzigen Wermutstropfen: Leider wurden die Sample-Einspieler, die „Siegel, gebrochen“, sowie „Kettenhunde“ auf der Platte begleiten, live nicht eingespielt – gerade der gesprochene Part von Marcel D. aka Skald Draugir von Helrunar bei ersterem sorgt für eine apokalyptische und schaurige Atmosphäre. Gleichzeitig sind solche Samples, wenn sie nicht gerade das Intro eines Songs markieren, nicht einfach live einzubauen – und auch musikalisch sind die Stellen, selbst ohne die gesprochenen Passagen, ja nicht in langweiliger Stelle verklungen, sondern wurden vielmehr zu einer bedeutungsschwangeren, kurzen Atempause vor dem Sturm, den die Stücke sonst mit sich bringen.

Auch der Abend mit drei Bands wurde zu einem runden, von der Dramaturgie her perfekt geschnürten Paket: Gerne hätte man die Doom-Eskapaden von Hexer noch erlebt, die ja auch erst vergangenes Jahr mit ihrem Album „Realm of the Feathered Serpent“ punkten konnten – trotzdem wäre es ein weit weniger furioses Ende geworden, bestechen Hexer doch eher in ihren hypnotischen Gratwanderungen und Bass-Fluten, als in rauschhafter Black Metal-Manier, wie Caradras den Abend beendeten.

Wer Caradras alsbald noch einmal live erleben möchte, hat, so Corona will, am 11.12. in Marburg gemeinsam mit Hyems und Elurra noch einmal die Chance. Dort wird der zweite Abend der Release-Show stattfinden.

Wer sich ein Bild vom 13. November machen möchte, sollte mal beim Goreminister vorbeischauen, der ein paar abendliche Eindrücke eingefangen und kleine Interview-Schnipsel bereitgestellt hat.

Bericht: Haimaxia

10
PUNKTE
Bewertung

Band

  • Caradras + Vendul + Ruinen

Erscheinungsdatum

  • 13.11.2021
Haimaxia

He whispers, when the demons come. Do you make peace with them or do you become one of them?

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