Am 11. und 12. April 2025 öffnete die Turbinenhalle in Oberhausen ihre Tore für die vierte Ausgabe des Acherontic Arts Festivals, dem Haus- und Hof-Event von Ván Records und Terratur Possessions – und das Programm versprach nicht weniger als ein Black- und Death Metal-Gathering der Extreme. Auch wenn Endstille ihren Auftritt krankheitsbedingt kurzfristig absagen mussten, war der restliche Spielplan so dicht gepackt mit ikonischen wie aufstrebenden Acts, dass niemand enttäuscht blieb.
Freitag
Das Event wurde durch einen Opener eröffnet, der diesen Begriff sofort dekonstruiert hat: The Omega Swarm. Die Band aus dem Ván-Kosmos, deren Debütalbum „Crimson Demise“ erst vergangenes Jahr für Furore gesorgt hat, katapultierte das Publikum mit brutaler Konsequenz in ein endzeitliches Klanguniversum aus Nihilismus und maschineller Gewalt. Wer hier auf ein bloßes Warmup spekuliert hatte, fand sich binnen Minuten in einem Strudel aus chaotischem Blackened Death Metal und ritualisierter Zerstörung wieder. Besonders eindrucksvoll: der Song „Entity Destroyer“, ein wahres Biest von einem Song, der über die Menge rollte. Die atmosphärische Black/Death-Melange mit ordentlich Drive und Raserei kam präzise und vernichtend aus den Boxen. Begleitet wurde das schnörkellose Inferno von einer Lichtshow, die sich tief ins Hirn brannte – ein Schlachtfeld, das im Laufe des Festivals fast schon als Leitmotiv wiederkehren sollte. Ein Opener, der -bei vielen Besucherinnen und Besuchern absolut nicht auf dem Schirm- das Niveau für das gesamte Wochenende brutal hoch ansetzte. Auch Omegaeternum aus Frankreich, deren Debüt "1248" ebenfalls erst 2024 erschien, konnten beim Publikum punkten, auch wenn sie ebenfalls nicht zu den bekanntesten Aushängeschildern im Ván Records-Kader gehören.
Wer Hadopelagyal schon einmal live erlebt hat, weiß, dass sie keine ästhetischen Gefälligkeiten liefern – sondern reine Abgründe. Mit der klanglichen Tiefe eines Ozeangrabens entfaltete das Duo um Sängerin und Gitarristin Hekla und Drummer Augur auf der Bühne des Acherontic Arts seine volle Wirkung. Schon auf dem aufwühlenden Werk "Nereidean Seismic End" wurde klar: Hier wird nicht musiziert, sondern fragmentiert, dekonstruiert, zersetzt. Die Live-Umsetzung dieser Ästhetik war ebenso kompromisslos wie fordernd – ein Strom aus rostigem Black/Death, dissonantem Lärm und einem bohrenden Grollen, der sich Monotonie über das Publikum legte. Nicht wenige schienen sich über diesen rohen Stil und die eher statische, spärlich beleuchtete Show irritiert die Stirn zu reiben – Hadopelagyal zählten definitiv zu den spezielleren Vertretern des Festivals. Doch wer sich auf das sonore Flimmern, das Unmenschliche, das Okkulte in dieser Musik einließ, wurde mit einem Erlebnis belohnt, das tiefer schürfte, als so manch andere Band es je könnte. Unser Team war sich jedoch einig: Auf einer kleineren Bühne hatte die Performance der Band bisher eine noch intensivere Wirkung entfalten können. Hier ging die Wirkung von Hadopelagyal und der durch Mark und Bein gehenden Schreie zwar nicht verloren - eine kleinere Club-Show steht der Band aber besser zu Gesicht.
Den ersten Ausflug in den Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft des Wochenendes gab mit den Kultisten von The Ruins of Beverast, die einen dunklen Schleier auf die Menge legten und mit einer Special Performance ihres Debüt-Albums "Unlock the Shrine" von 2004 aufwarteten. Über Classics wie "Between Bronze Walls" oder "Summer Decapitation Ritual" versetzten Alexander von Meilenwald und seine Mitverschwörer ihr Publikum 20 Jahre in die Vergangenheit und dürften bei Fans der ersten Stunde damit gehörig Freude ausgelöst haben. Danach war es Zeit für Morast – eine Band, die mit zähflüssiger Düsternis und urzeitlicher Wucht ein intensives, rituelles Set hinlegte. Die Band um Zingultus, der gleich bei mehreren Acts des Wochenendes Akteur auf der Bühne war, schien auf dieser Stage regelrecht zu Hause zu sein: ihre Musik atmet Schmerz, Verlust, aber auch Erhabenheit. Besonders in der zweiten Hälfte des Sets wuchs die Band über sich hinaus und punktete vor allem damit, dass ihr aktuelles Werk "Fentanyl" komplett gespielt wurde. Der krönende Abschluss des Tages folgte dann allerdings mit Whoredom Rife, die ihr Publikum mit regelrechter Black Metal-Exzellenz in den Bann zogen. Eine Wahnsinns-Bühnenpräsenz der norwegischen Combo - alles war auf maximalen Impact ausgelegt. Nicht umsonst gehörte für viele das Album "Den vrede makt" zu den besten Releases des Jahres 2024. Abgesehen davon, dass es auch durch einige Verzögerungen in den Umbauphasen ein gutes Stück Verzug im Programm gab und manche bereits mit den Öffentlichen ihrer Wege zogen, dürfte das Grand Finale des Freitags jede Anhängerin und jeden Anhänger kompromisslosen Black Metals überzeugt haben.
Samstag
Der zweite Festivaltag begann mit Zwielicht – und es fühlte sich an, als stünde die Zeit still. Die Band aus dem Ruhrgebiet, deren Wurzeln bereits mehr als 20 Jahre zurückreichen, hat sich seit ihrer Gründung zu einer festen Größe im deutschen Black Metal entwickelt. Mit ihrem zweiten Album "The Aphotic Embrace", das am 9. Februar 2024 über Ván Records erschien, haben sie ihren Sound weiter verfeinert und eine düstere, atmosphärische Klanglandschaft geschaffen. Ihre Mischung aus aggressiven Tönen, melancholischen Melodien und wirkmächtigen Vocals verleiht ihrer Musik eine besondere Tiefe - auch live überzeugten sie auf dem Acherontic Arts mit einer astreinen Show. Besonders hervorzuheben ist der Song „Twilight Temple“, der mit seiner intensiven Atmosphäre einen Höhepunkt ihres Sets darstellte. Auch Sumerian Tombs, die an diesem Festivalwochenende den Release ihres neuen Albums "Age of Eternal Night" begießen durften, hielten das Publikum des Acherontic Arts an der Kehle, auch wenn viele bereits jetzt dem nächsten Programmpunkt entgegenblickten...
Dann kam der Gänsehaut-Moment, auf den sehr viele, nein, beinahe alle im Saal gewartet hatten: NGLFR – das Pseudonym, unter dem sich Zingultus, Meilenwald, Weigand, Sveinn und Jhn versammelten, um bewusst keine vollwertige Reunion, sondern eine einmalige Tribute-Show für ihr prägendes Projekt der 90er und frühen 2000er Nagelfar zu geben. Viele hatten schon gehört, dass es 2024 auf dem House of the Holy einen geheimen Auftritt gab, doch erst hier entfaltete sich die volle Wucht ihrer Rückkehr und die Show wurde für unzählige Besucherinnen und Besucher zu einem No-Brainer beim Ticketkauf. Man eröffnete mit erhabener Lichtshow und dem Classic „Meuterei“, man durchquerte das dritte Kapitel von „Srontgorrth“ und entfesselten schließlich "Sturm der Katharsis" und den hymnischen "Flug des Raben" – alles in einem ungebrochenen Strom, der das Publikum sprachlos zurückließ. Das eigens designte NGLFR-Shirt avancierte in Windeseile zum begehrten Sammlerstück und war bereits nach wenigen Minuten ausverkauft. Nach der Show blickte man überwiegend in zufriedene Gesichter: Genauso hatten sich viele vorgestellt, endlich einmal Songs einer der Bands live zu erleben, die sie womöglich zum Black Metal brachte - und nicht selten raunte man im Publikum, dass das Album "Virus West" zu dem Besten gehört, das in Sachen deutschsprachigen Black Metals je herausgekommen war. Was für ein Highlight!
Aus Österreich zogen ArsGoatia eine Show auf, die eher an eine finstere, blutgetränkte Orgie denn an ein einfaches Black Metal-Konzert erinnerte. Blastbeatgetriebene Raserei und wahnsinnige Mimik und Gestik: Alles Merkmale, die den rohen Sound zwischen okkulter Symbolik und barbarischer Energie definieren. Ihr neues Album aus dem Februar, "Agitators of Hysteria", im Gepäck wurde hier eine zügellose, heftige Show dargeboten. Ein weiteres Highlight des Samstags hingegen war auch der Auftritt von Sulphur Aeon und damit wieder ein Ausflug zu den großen Alten aus der Schmiede von Lovecraft. Ihr magnum opus "Seven Crowns And Seven Seals" von 2023 hallt noch immer nach - und ihr Set glich einem Abstieg in uralte Tiefen: unter die Haut gehende Gitarrenwände, trommelnde Monolithen von epischen Songs und ein Gesang, der wie aus dem Rachen eines kosmischen Ungeheuers klang. Besonders der Titeltrack des letzten Albums ließ den Boden beben – und das dürfte, wie unser Team einhellig meinte, der beste Auftritt gewesen sein, den wir von der Band aus dem nordrhein-westfälischen Waltrop bisher haben erleben dürfen.
Mit Chapel of Disease kehrte die Aggression des Abends kurz zu einer elegischen Ruhelosigkeit zurück. Die Band spannte filigrane melodische Bögen zwischen brutalen Death-Metal-Riffs und progressiven Einschüben, sodass jeder Song zu einem Spannungsfeld aus Melancholie und Gewalt geriet. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie man im härtesten Genre auch mit emotionaler Tiefe punkten kann. Nachdem vor gut einem Jahr ihr aktuellstes Album "Echoes of Light" erschien, hatten die Kölner ihren Status als emotional tiefschürfende Combo, die den Death Metal komplett ad absurdum geführt haben, gefestigt. Mittlerweile verspielter und fast schon dem Jazz entlehnt gehören Chapel of Disease zu der Speerspitze dessen, was Ván Records zu bieten haben. Das Festivalfinale boten aber Darvaza um den exzentrischen Wraath, dessen Bühnenpräsenz einmalig ist und die eher im oldschooligen Black Metal beheimatet sind. "This Hungry Triumphant Darkness" von ihrem letzten Album "Ascending into Perdition" oder der Brecher "Towards The Darkest Mystery" von der EP "Darkness in Turmoil" taten ihr Übriges.
Das Plattenlabel Ván Records hatte –wie schon in den Jahren zuvor– ein Festival kuratiert, das rundum überzeugte. Nicht nur ist man von dem Label ja bereits Detailverliebtheit und Authentizität gewohnt - auch bei der Planung des Programms bewies man ein Händchen und sorgte für eine innere Kohärenz und hochkarätiges Billing. Ein besonderer Dank gebührt den Veranstaltern und der Technik: Der Sound war über das gesamte Wochenende hinweg exzellent. Die Arbeit von Lior Delman und Irsins Sound sorgte für einen druckvollen, transparenten und kristallklaren Klang – selbst in den komplexesten Momenten blieb jedes Instrument spürbar. Viele Besucherinnen und Besucher lobten online, dass der Sound zu den besten gehöre, die sie je auf einem Indoor-Festival gehört hätten - auch wenn es immer mal wieder Kritik gab. Weiterhin überzeugte die Lichtshow durchweg und dürfte auch denjenigen positiv aufgefallen sein, die sonst kein Auge für diese Gimmicks haben.