Nach dem grandiosen Start des Zappenduster Open Air vergangenes Jahr ging es auch in diesem Jahr wieder heiß her auf dem Gelände der Sputnikhalle - diesmal allerdings IN der Location. Richtig gehört, wegen anhaltend schlechten Wetters in ganz NRW wurde das Event zu seiner zweiten Ausgabe zur Indoor-VA.
... doch das tat der Stimmung keinen Abbruch, außer, dass es natürlich im Bereich vor der Bühne und in den Gängen mehr Gedränge gab, als man es von dem Schwester-Event, der Wintermelodei, gewohnt war. Das Bandpaket, welches Black Silence Productions rund um Simon Wiedenhöft für den 5. August geschnürt hatte, versprach ein rundum stimmiges Programm - mit einer Ausnahme: Kanonenfieber, von manchen gefeiert, von manchen kontrovers diskutiert, stachen von Anfang an heraus. Kurz vor dem diesjährigen Zappenduster jedoch mussten die Bamberger um Frontmann Noise aus gesundheitlichen Gründen absagen, da sich Drummer Hans den Zeh gebrochen hatte. Auf Social Media schieden sich die Geister: Für die einen eine herbe Enttäuschung, hatten sie sich doch extra Tickets wegen KF geholt, für die anderen unter zynischen Kommentaren gar eine festival-kosmetische Aufwertung.
Trotz der Tatsache, dass die Besucher bloß 6 statt 7 Bands bekamen (für KF konnte so kurzfristig kein adäquater Ersatz gefunden werden) und das Zappenduster Open Air leider kein Open Air wurde, sondern im Innern der "Sputte" stattfand, kam eine grandiose Stimmung bei der ausverkauften Veranstaltung auf. Man erreichte schon früh die Soldout-Marke, was einerseits eine erfolgreiche Veranstaltung versprach, andererseits bei vielen, die auf Abendkasse spekuliert hatten, ein wenig Frust auslöste.
Der Merch-Verkauf, u.a. neben dem üblichen Band-Merch auch mit einem Stand von Green Hell Records, fand draußen im überdachten Bereich statt - ebenso gab es auch kulinarisch mehr zu genießen: Einen Stand mit leckeren Gemüse-Bowls mit Reis und entweder Tofu oder Fleisch fand man direkt am Eingang, während im Innern der Sputnikhalle wieder der Pizzaofen angeworfen wurde.
Nachdem nun bloß noch 6 Bands auf dem Programm standen, begann dieses kurzerhand eine Stunde später, als geplant - den Opener machten die Brasilianer Outlaw, welche trotz der Tatsache, dass es die Band schon seit 2015 gibt, erst jetzt mit ihrem jüngsten Werk "Reaching Beyond Assiah" bei vielen auf dem Radar auftauchten. Bereits bei der Februar-Ausgabe der Odyssey to Blasphemy in Oberhausen konnten die Herrschaften aus São Paulo punkten - und schon alleine ob des herrlich atmosphärischen Songwritings und der melodischen Opulenz der starken Lieder lohnte sich der Opener immens, dessen Sound irgendwo zwischen Thulcandra und Mgła liegt. Hervorzuheben wären hier "Everything That Becomes Nothing" mit seinem eindringlich gesprochenen "We evoke the void - so that it fills our souls"-Part oder der Titelsong des eingangs erwähnten Albums. Wer nicht allzu weit hinten stand und durch die entzündeten Leuchter und den Nebel einen Blick auf den Live-Gitarristen der Band erhaschte, konnte früh Simon Wiedenhöft höchst selbst als Support von Outlaw ausmachen - eine Überraschung, welche bis zu diesem Zeitpunkt geheimgehalten wurde. Manche realisierten das auch erst, als der Veranstalter am Ende des Gigs allen ein schönes Event wünschte. ;)
Outlaw / Haimaxia
Naxen, deren Drummer auch bei Äera spielt, hatten an diesem Nachmittag ein Heimspiel. Die Münsteraner hatten für ihr 2020er Debüt "Towards The Tomb Of Times" noch Mr. Florian Dammasch aka Alboin von Eïs an den Drums dabei. Hinter dichten Nebelschleiern entfesselte die Band ihren emotionsgeladenen Sound und stellte ihre virtuos geschriebenen Song-Hünen zur Schau, die allesamt Laufzeiten von rund 10min aufweisen. Das Erstlingswerk wurde auch -zugegeben, nach einiger Verzögerung beim Soundcheck aufgrund von Misskommunikation zwischen Band und Technik- mit den zwei Brechern "To Welcome The Withering" und "The Odious Door" präsentiert. Auch das letzte Release unter Vendetta Records, die "The Perilous Path of Pain"-EP von Anno 2021, wurde mit dem höchst intensiven Stück "The Disappearing Door To Dignity" gewürdigt und hätte nicht mehr unter die Haut gehen können. Leider sind bei epischen Song-Längen wie bei Naxen nicht mehr als vier Songs bei einem solchen Festival-Gig drin - ist man erstmal in dem Gemütszustand, den die Band mit ihrer Musik hervorruft, möchte man nämlich kein Ende haben.
Naxen / Anna Apostata
Imperium Dekadenz beeindruckten dieses Jahr mit ihrem neuen Werk "Into Sorrow Evermore", das auch mit gleich mehreren Stücken in der Setlist bedacht wurde. Bei der Band um die vielseitigen Musiker Horaz und Vespasian ist sich unser Team einig: Ob Imperium Dekadenz ordentlich punkten können, oder leider nur etwas dahinplätschern, steht und fällt mit der Setlist - vor allem die alten Alben "Dämmerung der Szenarien" und "Procella Vadens" gehören zu den wichtigsten Wegmarkierungen, die uns beim Tauchgang in den Black Metal begleitet haben, und leider konnte die Band an die Intensität und den rohen Klang beider Werke danach nicht mehr heranreichen. Immerhin das finale Stück des Sets, "The Night Whispers To The Wise", bediente dabei unsere Nostalgie und veredelte das Konzert am Ende noch einmal erheblich. Was man den Baden-Württembergern aber keinesfalls vorwerfen könnte, sind fehlende Expertise oder dünne Atmosphäre. Vor allem, als sich die Akteure auf der Bühne richtig warmgespielt hatten und das Publikum beinahe niederknien wollte, trafen dann auch neuere Stücke wie "Memories... A Raging River" ins Mark. Da möchte man direkt mit dem Frontmann und seinem Weißburgunder zum "Lost years"-Part im Stück anstoßen und in Nostalgie versinken.
Imperium Dekadenz / Anna Apostata
Dass Heretoir eigentlich immer mit ihrem emotionalen Tiefgang und einem rauschhaften Songwriting begeistern können, muss man niemandem mehr erläutern. Songs wie "Golden Dust" oder "The Circle" lösten auch an diesem Abend in Münster nichts Anderes bei ihrem Publikum aus - doch auch der Titelsong ihrer jüngst erschienenen EP "Wastelands" machte nicht minder Laune. Was für eine Spielfreude und glaubhafte Dankbarkeit die Band um Frontmann Eklatanz jedes Mal ausstrahlen, mag für manche vielleicht nicht so ganz das Prädikat "Black Metal" verdient haben, ist aber mitreißend und schön anzusehen. Mehrere Male forderte man das Publikum auf, "einmal Lärm für euch selbst" zu machen, rührte die Werbetrommel für das neue Album "Nightsphere", welches Anfang Oktober via Northern Silence Productions erscheinen soll - und so feierte man den schwermütig-melancholischen Sound, irgendwo zwischen Black Metal-Sintflut und Post Metal-Ästhetik. Immer wieder gut, welche Monumente sich Heretoir selbst setzen.
Heretoir / Anna Apostata
Spectral Wound, welche als Nächste auf der Bühne standen, sind in der Vergangenheit zu einem regelrechten Phänomen avanciert: Mit dem Release ihres 2021er Werks "A Diabolic Thirst" ist die kanadische Band aus dem Raum Quebec, der ohnehin für hochkarätigen Black Metal berühmt ist, in aller Munde. Eine dichte Atmosphäre, ausgeklügeltes Songwriting, eine inhärente Kälte in ihren Songs, die keine Ruhepause zu gönnen scheinen, beeindrucken die Kanadier extrem - nicht umsonst dürfte die Band für manche der tatsächliche Headliner gewesen sein. Eine starke Live-Präsentation, auch wenn der Gig, den wir einige Wochen zuvor auf dem diesjährigen UTBS bezeugen durften, klanglich noch besser die hoffnungsbefreiten Songs auf die Bühne brachte. Aber die Kanadier schafften es in der Sputnikhalle zumindest sehr nahe heranzukommen, was vor allem am herausragenden Stück "Frigid and Spellbound" deutlich wurde. Nicht umsonst wurden Spectral Wound als einer der Acts des Tages gehandelt und konnten diesen hohen Erwartungen auch gerecht werden.
Spectral Wound / Anna Apostata
Was Headliner Afsky im Nachgang entfesselten, kann man mit Fug und Recht als reine Ekstase bezeichnen - wer den Hype um die dänischen Atmosphäre-Meister mit ihrem gleichsam immersiv-wirkmächtigen und harten, unerbittlichen Sound bisher verpennt hat, muss hinter dem Mond leben. Mit ihrem aktuellen im März erschienenen Album "Om hundrede år" konnte die Band ihren Erfolgskurs nur noch mehr festigen - auf der jüngst angekündigten gemeinsamen Tour mit Panzerfaust sollte man sich den Rausch eines Afsky-Konzerts unbedingt mal geben. Vom Opener "Stormfulde hav" vom aktuellen Werk bis zu "Skær" vom Erstling "Sorg" von 2018 - ein Spektakel, das sprachlos macht. Man dankte artig für die Einladung am Ende des Gigs und rundete das Konzert mit "Angst", dem finalen Song vom 2020er Album "Ofte jeg drømmer mig død", ab. Was man der Band auch leicht anmerkt, ist die Freude, darüber, wie positiv sie von ihrem Publikum aufgenommen werden - eine Band, deren Live-Show man nicht verpassen sollte.
Afsky / Haimaxia
Bericht: Atti Li / Haimaxia
Fotos: Anna Apostata