Das Prophecy Fest ist bekannt für seine außergewöhnlichen Billings sowie die kleinen und großen Besonderheiten für die Besucher - auch in diesem Jahr gab es einige Perlen im Programm zu entdecken und die Veranstalter versprachen, sich nach dem letzten Jahr einiges an Kritik zu Herzen genommen zu haben. Hier findet ihr unser Review zum Event.
Seit 2015 ist die Balver Höhle im Sauerland das mystische Herz des Prophecy Fests, das sich seither als ein Schmelztiegel musikalischer Grenzgänger etabliert hat und als Event zwischen Neofolk, anspruchsvollem Black Metal und besonderen Künstlerinnen und Künstlern brilliert. Nicht nur spielen immer wieder Bands aus dem wachsenden Kader des Labels, man lädt auch Jahr für Jahr besondere Gäste ein, die gut ins Programm passen. Einige Akteure treten hierbei natürlich immer wieder in Erscheinung und sind quasi übliche Verdächtige (Mit einem Augenzwinkern könnte man behaupten, es scheine mittlerweile in Stein gemeißeltes Gesetz zu sein, dass jedes Jahr Markus Stock auf der Bühne zu sehen sein solle, egal mit welchem seiner Projekte). Auch in diesem Jahr strömten wieder Liebhaber von düsterer Kunst und besonderen Klängen ins Sauerland, um der fast schon kultisch verehrten Atmosphäre dieses einzigartigen Jahres-Highlights zu frönen.
Und das, obwohl die letztjährige Ausgabe durchaus in der Kritik stand – die Parkplatzsituation chaotisch, die Einführung der zweiten Bühne umstritten und der sogenannte Comfort Pass vielen ein Dorn im Auge – doch wir können direkt vorab die Botschaft verkünden: Das Prophecy Fest hat dieses Jahr vieles besser gemacht und die Die Hard-Fans zeigten sich versöhnlich - so hat es jedenfalls unser Team erlebt. Die Veranstalter hielten zwar an den wesentlichen Änderungen fest, doch lief dieses Mal alles spürbar reibungsloser ab. Eine gewisse Ruhe war schnell bemerkbar, die sich in den Ablauf schlich, und so mancher Skeptiker wurde eines Besseren belehrt: Keine eklatanten Überschneidungen von Main- und Second Stage mehr, am Merch lief alles "smoother" und von der Zweiklassengesellschaft, die auch wir vergangenes Jahr anprangern mussten, war nichts mehr zu bemerken. Gewiss, die Kosten, die man als Besucher fürs Parken und Campen noch zusätzlich zum Ticket entrichten musste, sind nach wie vor nicht ohne - jedoch wäre es dieses Jahr gelogen, die Orga draußen vor der Höhle undurchsichtig und durcheinander zu nennen.
Dass auch dieses Jahr wieder internationales Publikum aus aller Welt zugegen war, bemerkte man schon auf den Parkplätzen - und auch wenn dieses Jahr nicht wie noch 2023 ein Brecher wie Agalloch auf dem Billing stand, so war das Event trotzdem einige Wochen vor Austragung sold out - und wie sich herausstellen sollte, zu Recht.
Perchta / Anna Apostata
Nach dem alljährlichen Festivalauftakt in Lagerfeuerstimmung bei der "Prophetic Ouverture" auf der Wiese vor der Höhle am Donnerstag, bei dem es akustische Einlagen von u.a. Vrimuot, Neun Welten und Wolcensmen (samt stimmungsvollem Dead Can Dance-Cover) gab, war bereits für eine familiäre Stimmung mit Freigetränken und andächtiger Atmo gesorgt. Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm: Den Auftakt auf der großen Bühne machten die herausragenden Perchta, die mit ihrer Wanderung durch die germanische Sagenwelt das Publikum verzauberten, und die Schiffsmänner von Eïs, die mit ihrer "Galeere“-Special-Show tief in die düsteren und abgründigen Welten ihrer Lyrik eintauchten und einem ihrer besten Werke ein Denkmal setzten. Während Erstere vor allem mit Pieces wie "Hebamm" vom aktuellen Werk "D'Muata", der vielseitigen Stimme von Lady Perchta am Mikro und einer starken Lichtshow bestachen, verstand Frontmann Alboin es wie kaum ein Zweiter, die Zuhörer mit Stücken wie „Durch lichtlose Tiefen“ und „Unter toten Kapitänen“ in einen Sog aus Schwermut und Kälte zu ziehen. Textpassagen wie "Nur wer den Krieg nicht gesehen hat, redet von Kampf" sprechen Bände.
Vom damaligen Ensemble, das 2009, als das Album erschien, noch unter dem Namen Geïst durch die Lande zog, ist nur noch Alboin höchst selbst übrig – die restlichen Musiker gingen andere Wege, wie etwa KG Cypher, der das Album damals eingesungen hatte und nun bei Vyre ist. Mit "Galeere", das 2023 erstmals auf schmucker Doppelvinyl bei Prophecy veröffentlicht wurde, haben Eïs einen Klassiker des deutschen Black Metals geschaffen, der im Bann der lyrischen Bildkraft und Wirkmacht immer wieder fasziniert, vor allem, wenn der Band-Kopf noch viele Jahre später die Songs in einen zeitgenössischen, melancholischen Kontext stellt und neue Bedeutungsebenen aufmacht. Eine wahre Wucht - und eine der stärksten Shows des gesamten Festivals.
Eïs / Anna Apostata
Valborg wiederum überzeugten unser Team vollends von der zweiten Bühne, die – wenn auch kleiner und intimer – ihre Stärken bei solchen Acts voll entfalten konnte. Ihr Set war ein brutales, stampfendes Erlebnis, bei dem man sich teilweise fühlte, als hätte man einen Bolzenschuss mitten in die Stirn bekommen. Wie immer weird, kryptisch und mit einer fast schon Rammstein-artigen Attitüde in den Lyrics, waren Songs wie „Stossfront“, „Blut am Eisen“ und „Asbach“ pure Monolithen der Death/Doom-Melange der Band aus Bonn. Valborg sind eine Band, die man einfach erlebt haben muss, um ihre eigentümliche Klasse zu begreifen. Schön, dass die Band, so lange sie bereits in der Prophecy-Sippe ist, endlich ihren Weg in die Balver Höhle gefunden hat. Wann darf man eigentlich ein neues Album erwarten?
Und dann war da noch Triptykon. Das Wort „Legende“ wird oft überstrapaziert, aber wenn man den unvergleichlichen Tom G. Warrior auf der Bühne sieht, trifft es wohl zu. Ihre Show war eine massive, unnachgiebige Woge, die neben den Songs von Triptykon auch den Geist von Celtic Frost auferstehen ließ – eine Reise durch die Geschichte des extremen Metals, die man so schnell nicht vergessen wird.
Wie der Frontmann charmant mitteilte, wünschten sich die Veranstalter neben ein paar Triptykon-Pieces wie dem starken "Goetia" auch Lieder aus der Celtic Frost-Ära von "Into the Pandemonium" - und so katapultierte man das Publikum in der Balver Höhle mal eben in die 80er Jahre mit Songs wie "Babylon Fell" oder auch "Mesmerized". Schön auch, wie Mr. Fischer während des Gigs betonte, wie viel er und sein Ensemble schon über das Festival gehört hätten - und dass sie sich beste Mühe geben würden, den Ruf ordentlich zu ruinieren. Leider nicht geschafft - eher im Gegenteil. Was für ein Headliner für den Freitag!
Triptykon/Celtic Frost / Anna Apostata
Der Samstag begann mit zwei unglaublichen Auftritten in schwermütiger Einkehr: Der Empyrium-Show zum Album "Where At Night The Wood Grouse Plays" und dem wohl bewegendsten Auftritt des gesamten Festivals von Alcest, begleitet vom französischen Pianisten Nicolas Horvath. Diese präsentierten ein reines Akustik-Set und die schlichte, doch intensive Darbietung, bestehend aus Gesang und Klavier, rührte viele Zuschauer zu Tränen. Besonders in einem Setting wie diesem – der Höhle, die ohnehin für ihre einzigartigen Klangwelten bekannt ist – entfalteten Stücke wie "Souvenirs d'un autre monde" oder "Autre Temps" eine ungeahnte Kraft.
Allerdings war es etwas schade, dass das Publikum zu Beginn nicht die nötige Ruhe bewahrte, die diese intime Darbietung verdient hätte. Vielleicht war das auch der Grund, warum Alcest auf eine frühere Tageszeit gesetzt wurden, doch das tat der emotionalen Wucht der Performance keinen Abbruch. Man munkelt bereits, dass der Auftritt mit dem berühmten Monsieur Horvath keine einmalige Sache gewesen sein soll - wir empfehlen jedem, sich der emotionalen Trance hinzugeben. Wir waren überrascht, dass die Alcest-Stücke in dieser Form so mitreißen können, obwohl sie sehr "stripped down" waren, allerdings ist es kaum ein Wunder, wenn die Anhängerschaft von Neige ohnehin alles liebt, was er formt.
Alcest & Nicolas Horvath / Anna Apostata
Hexvessel brachten ein anderes, ein viel dunkleres Kapitel mit nach Balve. Frontmann Mat McNerney führte das Publikum durch das Set, das sich ausschließlich auf das neue Album "Polar Veil" konzentrierte, und schickte jedem Stück eine kleine Geschichte voraus. Der Umstand, dass sie keine ihrer alten, folkigeren Stücke spielten, enttäuschte einige Fans, aber McNerney war klar in seiner Botschaft: Hexvessel wandern jetzt auf dem Pfad des Black Metals, auch wenn man die jüngste Platte keineswegs als reinen BM-Effort bezeichnen könnte.
Für ihn war Folk schon immer tief mit den Vibes des Black Metals verwurzelt, und genau das verkörperte er auch an diesem Abend – untermalt von stimmungsvollen Erzählungen und begleitet von seinem jüngst erschienenen Lyrikbuch „The Language Of Black Holes“, das am Merch-Stand zu erwerben war, warf der besondere Musiker aus England, mittlerweile in Finnland ansässig und vielen auch bekannt durch seine Arbeit mit Grave Pleasures/Beastmilk, einen arktischen Schleier auf die Zuhörer. Das große Highlight des Sets: Der Song "Eternal Meadow", dem McNerney ein bedeutungsschwangeres "We mustn't forget the dead - may their names live forever!" beifügte. Gänsehaut.
Hexvessel / Anna Apostata
Danach folgte der Auftritt von den Niederländern Dool, für die der Abend der dritte Besuch auf dem Prophecy Fest darstellte – und was für ein Auftritt das war! Raven van Dorst am Mikrofon führte die Band mit einer fast unheimlichen Bühnenpräsenz durch das Set, welches mit dem unglaublich starken Opener des neuen Albums begann, "Venus in Flames". Es ist beeindruckend, wie sie es immer wieder schaffen, das Publikum mit ihrer Mischung aus okkultem Rock und introspektiven Texten in eine tranceartige Ekstase zu versetzen.
Ihr neues Werk "The Shape of Fluidity" stand im Mittelpunkt, und es wurde klar, dass Dool in ihrer einzigartigen Nische weiter auf dem Vormarsch sind. Natürlich durfte bei der herausragenden Show auch nicht das beliebte Cover "Love Like Blood" von Killing Joke fehlen, das die Band sich absolut zu eigen macht. Auch das große Finale mit Paradise Lost war für viele natürlich ein Auftritt, auf den sie hinfieberten - an das, was Dool hier auf die Bühne brachten, reichte der Headliner des zweiten Tages aber mitnichten heran.
Empyrium / Anna Apostata
Das Prophecy Fest 2024 war -wie jedes Jahr- mehr als nur ein Festival – es war ein atmosphärisches Erlebnis, das tief unter die Haut ging. Aus unserem Umfeld gab es diesmal einige bekannte Gesichter, die tatsächlich nach der 2023er Ausgabe beschlossen, diesmal dem Festival fernzubleiben. Gewiss kann es für manche auch am Programm gelegen haben, dass sie dieses Jahr nicht eine sofortige Ticketkaufentscheidung gefällt hatten, als die Headliner bekanntgegeben wurden - jedoch entpuppte sich die 2024er Edition des Haus und Hof-Festivals von Prophecy Productions als Hort für besondere Entdekungen: Auch in diesem Bericht sind wir nicht auf alle Akteure und Bands eingegangen. Ein wenig mehr Details werden wir in unserem Untergraben-Podcast beleuchten - auch Bands wie Solstice, Germ, Austere und Dymna Lotva sind in diesem Jahr als besondere Acts zu nennen. Und vergessen wir bloß nicht den nunmehr dritten Auftritt des legendären Arthur Brown, dessen Sensation vielleicht mittlerweile nicht mehr vorhanden ist, wenn man den Auftritt und die Begeisterung im Publikum am 2021er Auftritt misst - aber auch diesmal begeisterte er mit seiner psychedelischen Show und seiner charmant-skurrilen Art. Die Balver Höhle ist und bleibt ein unvergleichlicher Ort für Musik, die sich mit den Tiefen der Künstlerinnen und Künstler auseinandersetzt, das Prophecy Fest ein Ort, an dem besondere Personen auf die Bühne geholt werden, die nicht überall gastieren und zu sehen sind.
Dass die Veranstalter es geschafft haben, nach der Kritik des Vorjahres ihre Jünger wieder zu versöhnen und die Qualität zu liefern, die man gewohnt ist, spricht Bände - so wird man auch im nächsten Jahr den Weg ins Sauerland antreten, um erneut in den magischen Sog dieses Events gezogen zu werden. Gerne darf die Frequenz der Shows auf der 2nd Stage so beibehalten werden. Was wohl Anno 2025 aufgefahren wird? Im Gegensatz zu 2023 wurde dieses Jahr noch kein Programmpunkt bekanntgegeben... wir halten euch aber auf dem Laufenden.
Danke an die Veranstalter, insbesondere Martin und Gunnar, dass Undergrounded auch 2024 wieder Teil der Family sein durfte!
Fotos: Anna Apostata
Bericht: Haimaxia