Interview mit Unlight
Interview

Interview mit Unlight

Nach ihrem großartigen Auftritt im Oberhausener Helvete am 31.03.2012 nahmen sich Blaspherion (Gesang, Gitarre) und Lord Grond (Drums) von Unlight die Zeit für eine kurze Unterhaltung. Naja, aus drei kurzen Fragen wurde ein halbstündiges Gespräch über die Szene, den Black Metal, die Musikindustrie und vieles mehr, in dem sie sich als sympathische und intelligente Gesprächspartner präsentierten.

  • von Ghostwriter
  • 05.04.2012

UG: Ihr seid jetzt seit 15 Jahren, seit 1997, als Unlight unterwegs. In diesen 15 Jahren ist ja in der Metalszene im allgemeinen und der Black Metal-Szene im speziellen relativ viel passiert, es hat sich viel geändert. Was hat sich für Euch an Änderungen bemerkbar gemacht und wie steht Ihr dazu?

Blas.: Dadurch, dass wir aus dem Wald kommen und dadurch eigentlich selbst keinen großen Szenenkontakt haben, bekommen wir so direkt eigentlich nicht wirklich alles mit.Was man dann so mitbekommt ist halt aus Magazinen und von anderen Bands. Was halt allgemein abgeht ist natürlich die Kommerzialisierung und die extreme Anhäufung von Bands, wie es auch in den 90ern beim Death Metal war. Es wurde alles gesigned und viele Bands, die es nicht verdient hätten kamen irgendwie raus und andere, die tausend mal besser waren, haben es nicht geschafft, weil der Markt einfach überflutet war, innerhalb von kurzer Zeit. In den 90er wars Death Metal, Ende der 90er, Anfang 2000, fing's mit Black Metal dann so an.

UG: Ja, es ist unbestreitbar, dass Kommerzialisierung in der Musikindustrie einen immer größeren Stellenwert einnimmt, es immer wichtiger wird verkaufen zu können, als Qualität zu liefern. Was man an Bands sieht, die ich diesem Zusammenhang gerne kritisieren möchte, zum Beispiel Cradle of Filth oder auch Dimmu Borgir, die sich zwar Black Metal schimpfen, aber mit dem Black Metal an sich wenig zu tun haben.

Blas.: Das ist schon Geschmackssache, die haben schon ihren eigenen Stil von Black Metal. Die Musiker sind's alle Mal, vor allem Dimmu Borgir, Hut ab. Sie sind halt einfach mal irgendwann mitgegangen, denn du musst gehen, es ist sonst schon hart. Nach hinten muss man einen verdammten Idealismus an den Tag legen, um einen riesigen Schritt zurück zu machen, wenn man schon so weit war. Mit Nuclear Blast zum Beispiel. Wenn man auch das ganze Leben darauf ausgerichtet hat und dann auch in eine Abhängigkeit kommt von der Musik als Arbeitgeber. Dann passieren auch so Dinge, dass man innovativer sein muss als die Konkurrenz, mit jedem Album, und dann irgendwann vielleicht poppig wird, oder keine Ahnung was für Elemente noch reinkommen, nur um anders zu sein.

UG: Also du würdest diesen Weg schon als musikalische Leistung anerkennen?

Blas.: Ja, eigentlich schon.

L.G.: Ich denk da muss man unterscheiden zwischen dem was im Rock Hard immer gerne als authentisch bezeichnet wird und dem was auch musikalische Anerkennung verdient. Also eine Band wie Dimmu Borgir hat verdammt gute Musiker. Ob die jetzt noch Black Metal sind, das wage ich jetzt auch mal zu bezweifeln. Es hat halt nicht die Ausstrahlung wie kleinere Bands, die irgendwo den Spirit transportieren. Es ist halt gute extreme Musik, aber es ist kein Black Metal mehr in dem Sinn. Macht's aber nicht unbedingt schlechter. Ich finde sowas immer ein bisschen schwierig. Besser sind halt die Bands, die es schaffen, in der Szene zu existieren und trotzdem true zu sein. Ich finde, viele Bands die true sein wollen sind einfach nur schlecht. Das ist oftmals gerumpel finde ich. Ich als Schlagzeuger hör' erstmal auf's Schlagzeug und da sind ganz viele schlechte Musiker dabei. Nur weil jemand furchtbar authentisch rüberkommt ist das für mich nicht irgendwie gut, ich kann das irgendwie schlecht beschreiben. Es wird immer gleich gesetzt. Sobald man nichts raushört und es ist ein Krach, dann ist es true oder so und das ist irgendwie nicht richtig. Also 'ne Band wie Watain finde ich schafft es zum Beispiel irgendwie originell zu sein und Black Metal zu sein und trotzdem gut zu sein und auch Melodien einzubauen und nicht einfach nur einen Tonsturm zu produzieren. Und das ist irgendwie eine ganz schwierige Lage, dass man das schafft: Nicht kommerziell zu sein, aber deswegen auch nicht nur Krach zu sein.

Blas.: Halt musikalischen Anspruch einzubauen. Ein schmaler Grat.

L.G.: Um nochmal auf das, was du mit der Entwicklung gesagt hast, zurückzukommen: Da gibt's natürlich schon immer mehr Bands, die das wieder versuchen - Erfolg mit der Musik zu haben aber trotzdem nicht kommerziell zu werden. Davon gibt's wieder 'ne ganze Menge Bands.

Blas.: Aber das geht halt ab einem gewissen Grad nur Hand in Hand mit einem Stück Kommerz um bekannt zu werden. Weil da muss Geld fließen. Ich seh's bei uns: Wir stecken über ne Dekade einfach nur Kohle rein, massenhaft! Ganz klar, wir sind ein bisschen bekannt, aber um größer raus zu kommen muss einfach mehr kommen, Support vom Label, Touren. Aber das hat alles massiv abgenommen, auch der Support vom Labels. Weil eben die Musikindustrie nicht mehr so verdient wie früher. Sind wir wahrscheinlich schon beim nächsten Thema mit den Internetdownloads und dem ganzen Zeug.

UG: Es ist ist sicherlich ein Thema, dass die Musik den Anschluss verpasst hat an das digitale Zeitalter. Sie haben es verpasst sich Märkte zu erschließen, die sie hätten erschließen können, hätten sie den Trend vorher verfolgt.

Blas.: Ja, das ist halt so ein Ding beim Black Metal: Eigentlich will man das ja nicht.

UG: Eigentlich will man das nicht, das ist richtig, aber effektiv muss man es einfach so ansehen: Der Markt ist da.

Blas.: Man braucht es auch als Band. Um gehört zu werden muss man diese Branche nutzen.

UG: Richtig. Und hätte die Musikindustrie diesen Trend erkannt, gäbe es heute keine ACTA- Diskussionen. Hätten sie es frühzeitig geschafft sich an den Märkten zu etablieren, gäbe es heute sicherlich keine Diskussionen darüber, dass wir schärfere Gesetze gegen illegale Downloads brauchen. Denn die Märkte wären erschlossen.

Blas.: Aber auch allgemein die Musikindustrie, ich schließe da die Popindustrie mit ein... Die Abschöpfung bei den Künstlern wie wir zum Beispiel: Wie wurden ja durch die Maschinerie in die GEMA gezwungen, es geht nicht anders.Wir geben tausende von Euros aus für eine Produktion, weil wir einen Anspruch haben, dass es geil knallen soll und sauber aufgenommen ist, da machen wir so lange rum, bis es uns passt. Was dann zurück kommt, ist ein Bruchteil! Aber wenn ich dann Abrechnungen sehe, was irgendwo anders hängen bleibt, nicht mal unbedingt beim Label, sondern im Vertrieb und im ganzen Einzelhandel, unglaubliche Schweinerei eigentlich! Die, die die Hauptarbeit an allem machen, das sind erstmal die Musiker, dann von mir aus auch ein bisschen auch das Management und das Label, dass für Promotion sorgt und raus geht mit dem Ganzen, eigentlich sollten die den Hauptanteil haben und nicht der Handel! Was der Handel daraus macht, dass ist schon mafiös. Unsere CD bei Müller Drogeriemärkte für 17,49€ und so Scherze, als Underground-Band, da frag ich mich auch: Was soll die Scheiße?!

UG: Das macht für Euch ja auch wenig Sinn, weil für den Preis kauft sie ja niemand!

Blas.: Da gehen doch klar die Leute dann in's Internet und laden es runter!

UG: Das meinte ich mit den nicht erschlossenen Märkten. Eine andere Entwicklung, die ich in der letzten Zeit verfolgt habe, ist, dass Politisierung ein immer wichtigeres Stichwort wird. Immer mehr Bands werden unter den Zugzwang gesetzt, sich zu positionieren. Labels und Veranstalter bestehen immer mehr darauf, dass eine Band Position bezieht.

Blas.: Weil sie die Hosen voll haben, klar, weil sie sonst nicht verkaufen können!

UG: Sie müssen sich immer mehr positionieren und ich hab' das Gefühl, das Metal ohne Politik in letzter Zeit kaum noch denkbar ist. Und Metal ohne linke Politik nicht salonfähig ist. Eine Band, die sich nicht gegen Rechts ausspricht, ist dafür.Du hast keine Wahl, dich auszusprechen, du kannst nicht sagen "Es ist mir egal, ich scheiße drauf!"Wenn du's nicht tust, bist du raus.Wie seht ihr das und wie handhabt ihr das?

Blas.: Ich persönlich finde, Black Metal im speziellen hat nichts mit Politik zu tun.Überhaupt nichts. Das satanistische Elitedenken hat nichts mit Politik und Hitler und sonst irgendwas zu tun, überhaupt nichts! Ich hab schon immer gesagt, auch in anderen Interviews, rechte Black Metal Bands haben den Sinn hinter Satanismus nicht Begriffen. Weil im Satanismus geht's um Individualität und individuelle Freiheit als höchstes Gut. Und in Systemen wie Diktaturen und Regimen... ich weiß nicht, die haben's einfach nicht begriffen.

UG: Vollkommen richtig, das Schafdenken, das Herdendenken, hat da eigentlich keinen Platz.

Blas.: Das Herrendenken in dem Sinn kann man jetzt in meinem persönlichen Fall vielleicht ummünzen, es gibt Parallelen: Ich bin halt von mir aus Darwinist, survival of the fittest. Du läufst halt einfach auf der Welt, Evolution! Und da gehört das natürlich auch in unserer Gesellschaft dazu. Die Schwachen bleiben auf der Strecke, ganz klare Sache. Und da brauch ich kein Regime oder Elitedenken in dem Sinn wie man es eben jetzt mit Politik verkauft. Das macht die Natur selber.

UG: Ich beobachte das zum Beispiel aber auch bei größeren Festivals, ich möchte da ein prominentes Beispiel nennen: So wurden Sargeist vom Billing des Party.San-Open Airs gestrichen, weil sie sich weigerten sich zu Politik zu äußern.Und das ist für mich eine Entwicklung, die ich als so nicht tragbar empfinde.

Blas.: So geht's natürlich auch nicht! Ich mach keine Statements zu Politik! Unsere Musik ist und bleibt politikfrei, ganz klar. Unsere Themen beinhalten Satanismus, Okkultismus, Tod, Teufel, das übliche.Aber im persönlichen Bereich muss es uns schon was angehen, was die Politik treibt. Weil ich will auf jeden Fall eine Demokratie behalten, UM Satanist bleiben zu dürfen, UM frei zu sein.

UG: Zweifelsohne. Aber es geschieht ja nun mal, dass Bands sich als Band äußern müssen. Und jetzt gesetz dem Falle ein Festival würde von Euch verlange "Liebe Unlight, wie steht ihr politisch?"

Blas.: Sowas ähnliches hatten wir vor kurzem. Wir hatten ein Angebot für ein Festival in Würzburg und der Träger vom Veranstaltungsort war irgendein christlicher Verein. Da kam der Vertrag dann zu mir nach Hause geflattert und da stand dann drin: Wir hätten aber auf antichristliche Symbolik jeglicher Art zu verzichten, sonst wird vom Festival die Gage einbehalten. Super. Das wir das nicht unterschreiben ist natürlich klar. Und so sehe ich das halt auch mit Politik. Wir behaupten wir wären ein freier Staat, dann darf auch jeder bis zu einem gewissen Grad seine Meinung sagen. Solange andere dadurch nicht emotional verletzt werden wäre jetzt falsch, aber ein gesunder Diskurs muss in der Gesellschaft einfach ablaufen.

UG: Das führt jetzt zu der Frage: In wie weit darf man denn überhaupt verletzen mit seiner Meinung, in wie weit ist ein Meinungsrecht überhaupt gedeckt? Wie weit muss der andere tolerieren in seiner Meinung verletzt zu werden, indem ich sage was ich denke? Kann eine Meinung überhaupt verletzend sein?

Blas.: Da geht mein Demokratieverständnis Hand in Hand mit meinem Satanismus: Die maximale individuelle Freiheit, so lange es dann funktioniert, dass alle noch an einem Strang ziehen können.

UG: Ich seh's halt so: Ich darf genau so lange alles sagen, bis ich tätlich werde. Wenn ich sage "du bist doof", oder deine Gruppe von Menschen, weil du Christ bist, bist du doof. Warum fühle ich mich als Christ angegriffen, weil da Menschen stehen, die sagen "ich finde euch doof"?

Blas.: So sind sie halt: Religiöse Fanatiker.

UG: Aber das kann man ja auch auf Politik projizieren: Wenn dort Menschen stehen die sagen "ich find' Einwanderer doof", ja, gut, dann ist das halt so geschehen.Warum fühlt sich dann ein Einwanderer davon angegriffen? Warum darf der eine Mensch das nicht sagen, weil der andere sich dadurch angegriffen fühlt?

L.G.: Ich wollt noch was anderes dazu sagen: Ich finde es sehr schwierig, wenn eine Band sich politisch äußern soll, denn eine Band ist erst mal ein Kunstprodukt und da stehen Personen dahinter. Wenn wir als Band beschließen, unser gemeinsames Produkt ist unpolitisch, dann ist das einfach so das ist unser Ding, wie wir das handhaben. Und was jeder von einzeln denkt, ist individuell.Und wir vier, in unserer Band, haben alle eine andere Meinung. Es gibt kein "Unlight denkt politisch so und so", das gibt's nicht! Das ist unsere Sache! Individualismus! Also ich möchte nicht, dass er für mich antwortet. Weil wir haben unterschiedliche Meinungen. Das was nach außen ist, das steht erstmal da. Und da sagen wir: Das hat nichts mit Politik zu tun.

Blas.: Außerdem geht's um die Musik. Und unsere Musik ist Politik frei. Wenn wir jetzt 'ne Punkband wäre, die absichtlich Richtung links propagiert, klar. Aber wir sind eben eine okkulte, satanistische Band und da geht es nur um dieses Themenfeld.

L.G.: Also ich find's auch okay, wenn Bands im Metal politisch sind. Ich mag Thrashbands wie Sacred Reich oder solche Bands, die ganz klar sozialkritische Statements abgeben.Aber wir machen das mit Unlight halt nicht. Und dann muss man das akzeptieren.

UG: Fernab davon, dass ihr jetzt in der "Szene" vielleicht in diesem Sinne nicht so involviert seid...

Blas.: Das ist nochmal so ein Stichwort, die Szene an sich, wie man das überhaupt definieren kann. Vor allem in Deutschland, mit diesem geheuchelten Zusammenhalt.

UG: Szene ist ein ganz schwammiger Begriff

Blas.: Unglaubliche Scheiße geht da ab.

UG: Szene ist letztlich das, was du daraus konstruierst. Szene ist ein Konstrukt und lebt davon, dass du daran glaubst, dass es sie gibt.

L.G.: Szene sind immer die Leute, die du kennst, sag ich jetzt mal. Da ist dann erstmal die Metalszene, dann gibt's wieder jede einzelne Musikrichtung und dann kennst du wieder deine Leute in der Szene. Und da dran machst du dein Bild ja fest. Also wenn jetzt die Metalszene im allgemeinen auf so einem großen Festival wie dem Summerbreeze sehe, dann finde ich sie erstmal scheiße, weil die Leute sich da total kacke Verhalten. Weil da halt auch sau viel nicht-Metal-Volk anwesend ist, was sich aber als Metal fühlt.

Blas.: Viele Spaß-Metaller.

L.G.: Die ich aber als nicht dazugehörig finde. J.B.O.-Fans, die in rosa rumlaufen, brauch ich nicht auf 'nem Festival. Aber das ist halt die Frage: Was definiert man als Szene?

UG: Definieren wir die Szene für diesen Zweck jetzt mal als das Konglomerat von Musikschaffenden, die sich einem Zweck verschrieben haben, nämlich Musik zu produzieren. Definieren wir das mal als Szene, in dem Sinne, dass dort das geschaffen wird, was den Metal letztlich im Kern ausmacht. Nämlich Bands, die Musik produzieren.

Blas.: Und die Fans, die es auch hören!

UG: Natürlich, die gehören zwangsläufig dazu. Wenn wir diese Szene jetzt so nehmen: Wo seht ihr diese Szene in zehn Jahren? Und wichtiger noch: Wo seht ihr Euch dann innerhalb dieser Szene?

Blas.: In zehn Jahren? Da bin ich tot! So wie's jetzt schon aussieht? Ach du meine Güte!

UG: Na das wollen wir mal nicht hoffen.

Blas.: Ha ha, du kennst meine Krankenakte nicht!

UG: Nehmen wir mal den Fall, dass die Krankenakte sagt, du könntest noch zehn Jahre machen.

Blas.: Da bin ich 43... Motörhead, Lemmy rocks! In die Richtung wahrscheinlich. Ich nehm' immer gern die Rolling Stones als Beispiel für Glaubwürdigkeit. Wenn man dann mit 50 Satanist ist und Black Metal auf der Bühne verkörpern will, ich weiß nicht. Vielleicht haut's bei einigen hin. So Urgesteine, Fenriz schafft's vielleicht irgendwie. Aber der driftet ja auch schon ab. Man entwickelt sich ja auch weiter, ganz klar.

L.G.: Dieser jugendliche Schmiss ist einfach nicht mehr so da.

Blas.: Klar, man wird ja auch persönlich ruhiger.

L.G.: Wenn da einer mit 23 auf der Bühne steht, der halt abgeht wie Sau, dann ist das geiler als wenn da so'n 45 jähriger rumsteht.Also wenn ich jetzt so Dark Funeral auf der Bühne sehe, die alle ihre Lederuniformen tragen und eigentlich da stehen wie die Ölgötzen und der einzige der sich bewegt ist der Schlagzeuger...

Blas.: Es wird irgendwann dann lächerlich, wenn's nicht mehr geht.

L.G.: Also ich find' die Musik geil von denen, aber es ist halt für mich live irgendwie uninteressant. Es kommt halt nicht die Power rüber, die die Musik eigentlich produziert.

UG: Also ihr seht euch in zehn Jahren eher ruhiger und gesetzter.

Blas.: Ja, also die innere Überzeugung die ich heute habe, die bleibt bestimmt bestehen. Da wette ich alles drauf. 'Ne Seele habe ich ja keine, aber meine inneren Organe von mir aus.Aber was ich musikalisch machen werde... Ich glaub schon, dass es eher in Richtung etwas anderem abdriften wird.

L.G.: Ich glaub' es ist schwierig, dass von jetzt aus zu beurteilen. Weil jetzt hat man immer noch Bock auf den Sound und es ist geil - ich weiß nicht ob man den Absprung dann irgendwie schafft.

Blas.: Aber irgendwann muss man sich halt eingestehen, dass es einfach peinlich sein wird auf der Bühne.

L.G.: Also für mich als Schlagzeuger werden die Gelenke vielleicht mal irgendwann schlapp machen, das könnt halt schon sein.

Blas.: Niefelheim sind jetzt noch Kult, sau gut. Ich mag die Jungs echt und es sieht auch jetzt noch gut aus, das Image. Auch auf der Bühne.Aber wenn man dann als Tattergreis oben steht und sich fast nicht mehr bewegen kann aber ständig von Power und Elite spricht. Die Glaubhaftigkeit geht irgendwann flöten. Und dieser Peinlichkeit will ich mich nicht aussetzen.

L.G.: Die Szene allgemein pendelt immer zwischen Kommerz und Underground hin und her. Im Moment ist jetzt gerade wieder viel Underground am laufen. Da werden halt wieder einige aufsteigen und bekannt werden und Geld verdienen, bis dann irgendwann wieder wieder 'ne Sättigung stattfindet und dann rutscht das wieder zurück in den Underground. Oder wieder dieses retro-Ding, was gerade wieder so in ist, mit diesem retro-Rock, 70er-Scheiß. Neue Musikrichtungen werden glaube ich im Metal nicht mehr dazu kommen, weil halt wirklich jedes Extrem ausgelotet ist. Also alles was jetzt dazu kommt entfremdet die Szene von sich selber irgendwie. Sei es, dass jetzt irgendwer anfängt, da Hip Hop einzubauen oder was weiß ich was.

Blas.: Hatten wir alles schon!

L.G.: Das hatten wir ja eh schon, genau, und ich denke einfach, dass jetzt nichts mehr großartig innovatives passiert, ohne dass es das allzu verfälscht.

Blas.: Ich hoff' halt einfach nur, dass sich irgendwann wieder mal, wie bei Death Metal auch, die Spreu vom Weizen trennt.Vielleicht dürfen wir dann beim Weizen sein.

L.G.: Durch diese einfachen Aufnahmetechniken ist es natürlich für jeden einfach, sein Zeug zu veröffentlichen.

UG: Nur dass da natürlich auch viel Unsinn bei rumkommt, den eigentlich niemand hören möchte, denn jeder kann Produzieren. Gerade im digitalen Zeitalter, wo jeder sein Homestudio aufbauen kann.

Blas.: Digital ist dann viel möglich und wenn man die Leute dann live sieht, denkt man nur "hast du die Gitarre gerade eben gekauft?" Wir kommen ja rum und wir spielen mit vielen Bands. Da müssen wir leider oft feststellen: Die haben keine Ahnung! Und die jungen Leute gehen völlig ab!Ich versteh' manchmal die Welt echt nicht mehr. Je übler der Sound, je schlechter die Instrumente beherrscht werden, umso geiler finden es irgendwie die Leute.

UG: Ja, das ist so ein bisschen der Trend, den ich so ein wenig beobachte: Das läuft auf diese oldschool-Basis hinaus. Wer nichts kann, ist plötzlich oldschool. Du beherrschst nichts, deswegen bist du oldschool und true.

L.G.: Das ist ja genau das, was ich vorher gemeint hab'. Das beobachte ich zur Zeit auf ganz vielen Konzerten, dass wir mit Bands spielen, die für mich ganz schlimm klingen. Ich war letztens auf 'nem Thrashfestival in der Nähe von Stuttgart und waren halt 70% für mich einfach schlecht.Weil die Musiker scheiße sind! Ich denk, man kann halt authentisch UND gut sein, aber da waren halt irgendwie fünf Bands am Tag gut und den Rest brauch ich nicht. Die Leute fanden's aber alle irgendwie mega cool, aber ich find' das halt total ungut, wenn man schlecht spielt.

Blas.: Wenn man selber ein Instrument beherrscht und kreativ relativ gute Musik macht hat man halt auch einen gewissen Anspruch. Nicht nur an sich selbst, sondern auch an andere! Da kommt dann auch dieses Unverständnis her. Ich red' nicht mal von Neid. Ich verstehe es einfach nur nicht, warum andere, die extrem viel schlechter sind, auf einmal so gehyped werden.Es entzieht sich völlig meinem Verständnis.

L.G.: Man kann ja primitiv spielen, darum geht es ja nicht. Aber es muss ja nicht schlecht sein.

UG: Primitiv und schlecht sind ja zwei verschiedene paar Schuhe. Das hat ja überhaupt nichts mit einander zu tun. Man kann ja primitive Musik machen, das ist ja vollkommen legitim. Man kann aber trotzdem seine Instrumente beherrschen.

Blas.: Wenn ich mir die Norweger anschaue, mit ihrem monotonen, eher primitiv gelagerten Black Metal, den es dort häufig gibt, die haben das dann schon drauf, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen und ein künstlerisch wertvolles Produkt zu erschaffen. Aber wenn's einfach nur Krach ist und es nicht mal eine Atmosphäre gibt, dann frag ich mich einfach: Was soll das?

L.G: Das ist dann nur um viele Fackeln auf der Bühne, Blutspuckerei und Nieten und Nägel und einen tollen Schriftzug auf der Kutte zu haben. Aber der Rest ist irgendwie scheiße.

Blas.: Ja ja, Show, Show! Blender! Jede Idiotenband aus jedem Dorfkeller hat mittlerweile von Christophe Szpajdel das Logo gemalt bekommen.Sieht natürlich Sau geil aus, ist ein super Künstler, aber man kann nicht mehr drauf gehen.Früher konnte man wenigstens noch drauf gehen. Die haben sich einen Grafiker leisten können, die müssen schon ein bisschen weiter oben sein. Aber mittlerweile?

L.G.: Die erste Naglfar: Cooles Cover, mitgenommen, geil!

UG: Kommen wir zu einer Frage, die ich gerne Stelle: Wenn ihr jetzt Unlight sehen würdet vor 15 Jahren, was würdet ihr ihnen mit auf den Weg geben?

Blas.: Nicht aufgeben, dranbleiben, an sich selber glauben und vor allem sich nicht verbiegen lassen.Wir machen unser Ding, egal was andere sagen. Ich würd auch nie eine Plattenvertrag unterschreiben, in dem drin steht ab einem gewissen Erfolg hat irgendein Produzent mitzureden, was wir da tun! Mach ich nicht!

L.G.: Covergestaltung, Schriftzugveränderung, geht einfach nicht.

Blas.: Mein Ding. Entweder wir machen das so, oder man will mich eben nicht. Wer mich nicht hören will, oder mein Artwork drumherum sehen will, drauf geschissen! In erster Linie machen wir das für uns, weil es uns Spaß macht. Und wenn es andere Leute interessiert, dann ist das natürlich umso besser. Weil, vor allem live, ein gemeinschaftliches Gefühl entsteht, das die Sache einfach ausmacht. Und das wäre dann für mich auch die Predigt: Gemeinsam etwas zelebrieren oder Erfahren.

L.G.: Das finde ich übrigens ganz lustig bei Bands, die dann behaupten sie wären so unglaublich misanthropisch. Da frage ich mich dann immer, wieso die überhaupt Platten veröffentlichen oder live spielen.Das beißt sich irgendwie ein bisschen. Also mir gibt das viel, wenn ich auf der Bühne bin und da stehen acht bis zwanzig Nasen. So wie heute, das war ja jetzt nicht wahnsinnig. Aber ich seh' durch den Nebel so drei, vier, fünf Leute vor der Bühne, die abgehen und das gibt mir alles, das ist geil!
Blas.: Nicht ums Ego aufzubauen, es macht einfach Spaß! Der Energiefluss macht dann Spaß! Das ist dann unsere Belohnung, dafür dass wir tausende von Euro investiert haben.

L.G.: Du gibst halt nochmal 10% mehr, bist halt hinterher kaputt, aber dafür hat es sich gelohnt.

UG: Tolle Schlussworte! Ich Bedanke mich bei Euch recht herzlich für das tolle Interview, hat Spaß gemacht!

Blas.: Uns auch, Dankeschön!

Mehr zu Unlight erfahrt ihr hier: http://www.unlight.org

Ghostwriter

+