Nachdem am 10. Januar das dritte Album von Waldgeflüster, "Meine Fesseln", erschienen ist und nicht nur bei uns im Review in höchsten Tönen gelobt wurde, stand mir der Mann hinter dem Projekt, Winterherz, Rede und Antwort.
UG: Hallo Winterherz, erstmal natürlich vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, die Fragen zu beantworten.
Winterherz: Grüß dich. Danke für das Interview.
UG: Nach der Demo und deinen ersten beiden Alben dreht sich auch bei deinem im Januar erscheinenden Album "Meine Fesseln" alles um Natur. Was fasziniert dich an ihr so, warum gibt sie dir so viel Inspiration?
Winterherz: Für mich ist die Natur ein Ruhepol. Eine Möglichkeit zu sich selbst zu finden. Nichts lässt die Gedanken so treiben wie eine einsame Wanderung im Wald. Das liefert die Inspiration um in die eigenen Tiefen einzutauchen und diese vor sich selbst freizulegen. Ich muss hier aber nochmal erwähnen, dass in meinen Texten die Natur fast immer als Metapher zu verstehen ist. So gut wie nie sind die Naturbilder reine Anschauung, es versteckt sich meistens eine zweite Ebene hinter diesen Bildern. Sie sind eher Mittel zum Zweck um meine Gedanken in Worte fassen zu können.
UG: Nach deiner Wanderung durch Femundsmarka für das letzte Album gibt es nun einen Song, der nach einer Wanderstrecke benannt ist (Karhunkierros). Nimmst du von längeren Wanderungen mehr mit, als wenn du einfach kurz in den Wald gehst?
Winterherz: Natürlich ist es leichter sich voll auf die Natur einzulassen und den Alltag zu vergessen, wenn sich der Aufenthalt über mehrere Tage erstreckt und nicht nach ein paar Stunden abgebrochen werden muss. Ich zumindest benötige immer etwas Zeit um ganz im “Wald” anzukommen. Desweiteren ist kreative Arbeit oftmals ein langwieriger Prozess, eine lange Wanderung bietet dann natürlich mehr Zeit um seine Gedanken treiben lassen zu können als eine Kurze. Ein Punkt für die Inspiration durch die längeren Trekkingreisen dürfte aber auch sein, dass ich außerhalb des Urlaubs leider nicht so häufig in den Wald komme, wie das manch Einer vermuten mag.
UG: Gehst du solch lange Wege, um dir Inspiration für die Musik zu holen oder ist das nicht der erste Gedanke, sondern quasi eine schöne Nebenwirkung?
Winterherz: Es war in beiden Fällen eine Nebenwirkung dieser unglaublichen Umgebung in der ich mich aufgehalten hatte. Die Femundsmarka hatte uns so viel beizubringen, die Erfahrungen waren so intensiv, dass wir das Erlebte irgendwie verarbeiten mussten. Bei Karhunkierros war die Sachlage etwas anders: Ich hatte die Musik schon seit ein paar Wochen als Demo aufgenommen, die Komposition war zum Zeitpunkt unseres Trips in Finnland schon sehr weit fortgeschritten. Mir fehlte allerdings der Text und ich hatte überhaupt keine Idee welche Thematik in dieser Musik steckte. In Bezug auf den Text war ich wirklich blank. Das lag auch daran, dass ich meiner Meinung nach mit Karhunkierros mich auf bisher unbekanntes Terrain gewagt habe. Das Stück ist “positiver”, “rockiger” und trägt eine etwas andere Stimmung in sich als alles was ich bisher gemacht habe. Zumindest empfinde ich das so. Allerdings hab ichs ja nicht unbedingt so mit den positiven Texten. Der Karhunkierros Trek gab mir dann endlich die notwendige Inspiration. Nach stundenlangem Wandern hatte ich das Gefühl in eine Art Trance zu verfallen. Die Natur, dieses andauernde ein Fuß vor den Anderen, das alles hatte eine meditative Wirkung, die das ständige Streben und Wünschen in den Hintergrund treten ließ. Diesen Moment habe ich in Karhunkierros verarbeitet, endlich hatte ich das Thema das in der Musik steckte gefunden.
UG: Ich kann mir den Arbeitsaufwand gar nicht richtig vorstellen, aber als Ein-Mann-Projekt ist dieser sicher riesig. Hand aufs Herz, was überwiegt dabei: Licht oder Schatten? Lohnt es sich, dass man dafür zu hundert Prozent seine eigene Ideen umsetzen kann ohne Kompromisse mit anderen Bandmitgliedern einzugehen?
Winterherz: Ich beantworte es mal so: Kommt ganz darauf an zu welchem Zeitpunkt du mich das fragst. Fragst du während dem Schreibprozess werde ich sicher antworten: Licht. Das freie Ausleben der eigenen Kreativität ist Gold wert. Hättest du mich während der ca. 1 Jahr langen Produktionsdauer von “Meine Fesseln” gefragt hätte ich wohl etwas zurückhaltender geantwortet. Wenn man sich um alles alleine kümmern muss, alles organisieren und planen und einen Großteil der Musik alleine im Kämmerchen aufnehmen muss, kann das Beizeiten...nervenaufreibend sein. Die Produktion dieses Albums war wirklich anstrengend, und ja es gab Zeiten wo ich geflucht habe mir alles alleine aufzubürden. Die 3 Tage Drumaufnahmen zusammen mit Tobi von Der Weg einer Freiheit und Domi als Recordingengineer waren da eine Wohltat. Einfach schon wegen der zwischenmenschlichen Kommunikation, von der ich bei den restlichen Aufnahme Tagen nicht sonderlich viel abbekommen hatte.
UG: Wie viel Zeit hast du für das neue Album gebraucht mit Songwriting, den Lyrics und allem drum und dran?
Winterherz: Die Songs auf “Meine Fesseln” entstanden zwischen 2009 und 2012. Ein Song wurde schon geschrieben bevor “Herbstklagen” überhaupt veröffentlicht wurde. Insgesamt stammen 3 Songs ursprünglich aus der Zeit vor “Femundsmarka”, für das ich dann die Arbeiten an diesem Album erstmal auf Eis gelegt hatte. Nach “Femundsmarka” begann ich dann wieder daran weiter zu arbeiten, neue Stücke zu schreiben und die Alten nochmal zu überarbeiten. Im Dezember 2012 begann ich mit den finalen Aufnahmen, die sich bis in den Herbst zogen. Alles in allem habe ich also sehr lange an diesem Album gearbeitet, nicht nur an Musik und Lyrik sondern auch an der Produktion.
UG: Was ist die Bedeutung des Albumtitels “Meine Fesseln”? Was sind denn deine Fesseln?
Winterherz: Der Titel bezieht sich auf die Zeile 'Mit welchen Fesseln soll ich mich noch an das Leben ketten, wenn der Wald schon so lange schwieg...'. Der Titel ist als Überschrift für die Songs gedacht, in diesem Kontext sind sie also meine Fesseln.
UG: Gibt es etwas, dass das neue Album von den Vorgängern unterscheidet?
Winterherz: Neben der äußerst langen Produktionsdauer habe ich versucht ein paar bis jetzt noch nicht bei Waldgeflüster verwendete Elemente in die Musik einzubauen. Zum Beispiel die an Doom Metal angelehnten Parts oder zuvor noch nicht verwendete Instrumente wie die Geige. Die größten Neuerungen sind aber wohl der Elektronik-Part in "Mit welchen Fesseln" und der Folksong "Trauerweide Teil 2", beides musikalische Richtungen, an die ich mich bis dato noch nicht herangewagt hatte.
UG: Welches deiner drei Alben ist dir persönlich das Liebste?
Winterherz: Diese Frage ist unmöglich zu beantworten. Alle 3 Alben sind für mich etwas Besonderes. In allen steckt dasselbe Herzblut, dieselbe Hingabe. Wenn dann kann ich immer nur das Neueste nennen, einfach weil dieses die letzten Jahre dominiert hat. Genau so ist kurz nach dem Schreiben immer der aktuelle Song mein Lieblingsong.
UG: Was erhoffst du dir vom neuen Jahr, was ist geplant? Stehen Konzerte zur Promotion des neuen Albums an?
Winterherz: Ja es stehen ein paar Konzerte an. Genaueres kann ich dazu allerdings noch nicht sagen, außer dem Runen der Nacht Festival am 21.6. Ich hoffe allerdings auf noch ein paar weitere Möglichkeiten das neue Material live präsentieren zu können, denn ich denke der Großteil der Stücke eignet sich sehr gut für eine Bühnenumsetzung.
UG: “Meine Fesseln” wird erstmals auch in den Staaten erscheinen. Was sind deine Erwartungen und Hoffnungen vom US-Release? Kommt bei guter Nachfrage vielleicht auch mal das ein oder andere Konzert dort in Frage?
Winterherz: Hauptsächlich erhoffe ich mir ein paar Menschen berühren zu können, das ist erstmal das Wichtigste. Wenn sich dann noch die Gelegenheit ergeben sollte in den Staaten zu spielen wäre das ein großer Traum der in Erfüllung gehen würde. Musik machen, Reisen und sehr gute Freunde wiedersehen - Wer wäre da nicht Feuer und Flamme?
UG: Wie sieht deine längerfristige Zukunft mit Waldgeflüster aus? Möchtest du weitere Alben schaffen?
Winterherz: Erstmal benötige ich wohl eine kurze Pause. Ich bin mir aber sicher, dass ich das musikalische Müßigsein nicht lange aushalten werde. Also, ja, ich denke es wird längerfristig auch noch weitere Alben von mir geben. Und außerdem spukt ja immer noch der Gedanke einer Split mit Panopticon in meinem Kopf herum...
UG: Danke für deine Zeit!
Das Interview führten Asgrimur von Undergrounded und Winterher von Waldgeflüster.