Die thüringische Band Macbeth kann auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken. Seit ihrer Gründung war sie der Staatsmacht der DDR als Metalband ein Dorn im Auge. Dies gipfelte 1986 in einem Spielverbot. Wie es dazu kam, beantwortet uns Ralf Klein, seines Zeichens Gründungsmitglied von Macbeth, in diesem Interview.
UG: Hallo Ralf! Macbeth wurde 1985 gegründet und war damit einer der ersten Metalbands in der DDR. Wie muss man sich die Metalszene zur Zeit der DDR vorstellen?
Ralf: Auch nicht anders als im Westen Deutschlands. Die NWOBHM hatte auch den Osten erfasst und die Leute begeisterten sich für Heavy Metal. Das war neu und man spürte so etwas wie Aufbruchstimmung. Außerdem konnte man sich so auch von den angepassten Mitläufern abgrenzen. Das Outfit der Metaller sorgte, wie auch im Westen, oft für Stirnrunzeln und führte zu Repressalien durch Polizei, Stasi etc. Das lag aber eher daran, dass man die Metaller politisch nicht einzuordnen wusste. Kleidungstechnisch wurde fast alles selbst hergestellt, da es so etwas im Osten nicht gab. Unser damaliger Sänger fertigte z.B. massenhaft Nietengürtel und Armbänder für alle möglichen Leute an. Viele Metaller bemalten sich ihre T-Shirts mit den Logos ihrer Lieblingsbands. - Ein Original war kaum erhältlich oder sehr teuer. Eine originale LP z.B. kostete schon um die 100 Mark. Die meisten Sachen wurden auf Kassette unters Volk gebracht.
UG: Da es für viele Leser von Undergrounded nicht geläufig sein wird: Was hatte es mit dem Amateur- und Profistatus in der Musikbranche auf sich?
Ralf: In der DDR durfte man ohne eine Spielerlaubnis gar nicht auftreten. Also spielte man vor einer Jury und die bestimmte wie „künstlerisch wertvoll“ das Ganze zu werten ist. Auch die Titelauswahl war vorgeschrieben. So musste man 60 Prozent eigenes Material oder DDR-Musik spielen. Die anderen 40 Prozent waren dann auch Songs aus dem Westen. Dann bekam man eine Spielerlaubnis, die wie ein Ausweis aussah. Je besser die Einstufung durch die Jury, desto mehr Geld durfte die Band verlangen. Profistatus erreichte man nur durch ein Musikstudium oder man bekam es zuerkannt.
UG: Ihr habt ja von Anfang an Texte in deutscher Sprache geschrieben. Hattet ihr auch mal Probleme mit dem so genannten „Lektorat“ und der Zensur von Texten?
Ralf: Englisch war überhaupt nicht erwünscht. Das war ja die Sprache des „Klassenfeindes“. Wir hatten die Genossen schon mit unserem Bandnamen Macbeth ausgetrickst. Der war englisch, aber da Shakespeare Weltliteratur ist, konnten sie da nichts machen. Also machten wir unsere Texte auf Deutsch. Zensiert wurde es eigentlich erst, als wir es zum Radio schickten. Da fiel „Zeit der Zeiten“ durch und wurde nicht gesendet. Eine Textzeile wie “von Syphilis auf Feldlatrinen, wo sich die Haut vom Knochen schält“ war damals definitiv eine Nummer zu dick aufgetragen.
UG: Seid ihr schon vor dem Verbot von 1986 von der Stasi beobachtet worden? Wenn ja, wurdet ihr nur als Band oder auch privat beobachtet?
Ralf: Ja, Hanjo und ich wurden schon vorher observiert. Wir waren auffällig geworden, weil wir an eine Autogrammadresse von Led Zeppelin geschrieben hatten. Da waren wir erst 13 Jahre alt! Außerdem arbeiteten unsere Stiefväter im westlichen Ausland. Da wurde man automatisch überwacht. Da wurde sich auch schon einmal über unser äußeres Erscheinungsbild beschwert. Während der Macbeth-Phase hatten wir drei IM´s (Inoffizieller Mitarbeiter) der Stasi im unmittelbaren Umfeld der Band (auch in der Band!).
UG: Wie verliefen das Konzert und die anschließenden Ereignisse in Erfurt 1986, die zum Spielverbot führten, aus eurer Sicht?
Ralf: Es war definitiv das legendärste Konzert von uns. Wir hatten vorher noch nicht in so einem großen Saal gespielt. Wir mussten einen Deal mit der FDJ (Jugendverband der DDR) machen, um überhaupt in Erfurt spielen zu können. Allerdings gab es auch bei der FDJ vernünftige Leute, die uns unterstützen wollten. Bei den Behörden standen wir schon auf der Abschussliste, weil wir einfach zu viele Leute zogen. Und die passten nicht ins Idealbild des sozialistischen Jugendlichen. - Also weg damit! Vom Gesundheitsamt, über Feuerwehr, Stasi und Polizei war alles vor Ort. Die Ordnungskräfte mussten uns abschirmen, damit die Leute uns nicht umrennen. Es war unbeschreiblich. Als uns gegen Ende die Zugabe verwehrt wurde, war der Ärger vorprogrammiert. Alles Reden half nichts. Die Polizei stand auf der Bühne und untersagte uns weiterzuspielen. Auf dem Heimweg der Fans gab es natürlich Stress mit der Polizei und die Leute machten ihrer Wut Luft.
UG: Gab es die Ausschreitungen wirklich oder wurde da von seitens der Stasi in den Berichten übertrieben?
Ralf: Es gab schon ordentlich Ärger. Aber wir waren ja noch im Saal und führten dort schon eigenartige Gespräche mit der Staatsmacht. Deswegen kann ich zum Ausmaß der „Ausschreitungen“ gar nichts sagen. Wir wissen es auch nur von Dritten.
UG: War das anschließende Spielverbot aus eurer Sicht gerechtfertigt oder war die Strafe überzogen?
Ralf: Ein Spielverbot ist immer Willkür und es war völlig überzogen. Nur weil eine Band erfolgreich ist und die Hallen ausverkauft waren, kann man sie doch nicht dafür bestrafen. Das ist doch das eigentliche Ziel einer Band. Aber wie das so ist mit Verboten. Damit hat man uns letztendlich noch geadelt und zur wirklichen Kultband gemacht.
UG: Das Spielverbot war ja nicht die einzige Maßnahme gegen euch. Entziehung der Zulassung des Band-LKWs, Kündigung des Proberaumes, Bußgeld usw. Da kommt der Verdacht auf, dass der Staat euch loswerden wollte...
Ralf: Das ging bis zum Bezirkschef der SED. Dieses Amt könnte man heute mit dem Ministerpräsidenten von Thüringen vergleichen. Wir waren selbst erstaunt, was wir in Bewegung gesetzt hatten. Auch so ein Satz „Es sind Maßnahmen zur Disziplinierung bzw. Liquidierung der Band zu ergreifen!“ klingt ganz schön martialisch. Die meinten zwar nicht physisch, aber das klingt auch heute noch krank. Ja man wollte das Ärgernis beseitigen. Das ist amtlich!
UG: Sind euch noch weitere Bands aus der Metalszene der DDR bekannt, die von der Stasi ein Spielverbot bekamen?
Ralf: Unsere Kollegen Moshquito hatten auch Ärger mit der Staatsmacht. Es ging sicherlich vielen Bands ähnlich. Vielleicht nicht in der Härte, aber an uns wollte man ein Exempel statuieren.
UG: 1987 durftet ihr wieder Musik machen, musstet euch aber in CAIMAN umbenennen. Warum habt ihr nun auf Englisch gesungen? War es so leichter, sich der Zensur und der Beobachtung durch den Staat zu entziehen?
Ralf: Wir durften den alten Namen Macbeth nicht mehr verwenden. Nach mehreren Vorladungen beim Ministerium des Inneren teilten sie uns schließlich mit, wie es weitergeht. Mittlerweile hatte sich viel verändert. Es gab plötzlich viele Metalbands und man hatte mitbekommen, dass diese Szene eher unpolitisch ist. Deswegen behelligte man kaum noch irgendwelche Bands. Wir dachten, jetzt können wir endlich englische Songs machen und uns einen modernen westlichen Anstrich geben. Das war der einzige Grund.
Auch nach der Umbenennung kehrte immer noch keine Ruhe in die Band ein, denn der damalige Sänger Detlef Wittenburg wurde 1988 zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt. Nach dem die Suche nach einem Ersatz erfolglos verlief, machte man zu viert weiter und konnte sich bis zur Wende endlich der Musik widmen. Doch in den Wirren der Wendezeit stand man wieder vor personellen Problemen, denn der Bassist und der Schlagzeuger verließen die Band und das Land in Richtung Westen. Unterstützung fand man in dieser Zeit in der Band ROCHUS, mit deren Hilfe man die letzten beiden Gigs noch spielen konnte. Bei einem der Konzerte stand Detlef Wittenburg, der im Herbst 1989 aus der Haft entlassen wurde, wieder mit auf der Bühne. Es sollte sein letzter Auftritt sein, denn im Dezember 1989 beging er Selbstmord. CAIMAN löste sich in der Folge darauf vorerst auf.
Vier Jahre später versuchte man, ein Comeback zu starten. Mit einem ausverkauften Konzert in Sondershausen legte man erfolgreich los und begann danach an neuem Material zu basteln. In diese Aufbruchstimmung fiel der Selbstmord von Rico Sauermann, dem damaligen Schlagzeuger von CAIMAN. Die Band wurde daraufhin erneut aufgelöst und war vorerst an ihrem Ende angelangt.
Es sollte mehr als zehn Jahre dauern, ehe die Band unter ihrem alten Namen, Macbeth, wieder aktiv wurde.
UG: Weiter Sprung nach vorne: 2006 kam es zum Comeback in neuer Besetzung, aber unter dem alten Namen Macbeth, dazu auch das erste Album seit der Gründung. 2009 folgte dann „Gotteskrieger“ und 2012 mit „Wiedergänger“ das dritte Album. Hättet ihr euch jemals denken können, dass Macbeth heute noch existieren und so weit kommen würde?
Ralf: Nach dem zweiten Selbstmord in der Band war eigentlich klar, dass wir uns auflösen. Wir waren menschlich und kreativ einfach am Ende. Auch Alkohol spielte da eine große destruktive Rolle. Rückblickend hätten wir nicht erwartet, dass wir noch einmal so weit kommen. Darüber freuen wir uns sehr. Es war natürlich auch ein hartes Stück Arbeit.
UG: Was sind eure Pläne für die Zukunft von Macbeth, was kann man noch von euch erwarten?
Ralf: Wir machen weiter, solange es Leute gibt, die unsere Scheiben kaufen und zu unseren Konzerten kommen. Ein neues Album wird definitiv kommen. Momentan sichten wir erst einmal Material und machen uns einen Kopf über Themen, die wir in die Mangel nehmen.
UG: Zu guter Letzt: stellt euch vor, ihr trefft euch noch einmal in der Zeit vor der Gründung von Macbeth und zwar mit dem Wissen von heute und den Erfahrungen der Jahre. Was würdet ihr euch raten/sagen/mit auf den Weg geben?
Ralf: Keine Ahnung! Das ist schwierig zu beantworten. Vielleicht würden wir sagen: „Sauft nicht so viel und bleibt eurer Linie treu. Ruht euch nicht auf euren Lorbeeren aus und hört nicht auf das Gesabbel von irgendwelchen Klugscheißern. - Und passt auf euch auf.
UG: Ralf, vielen Dank für das Interview!
Das Interview führten Ralf Klein (Gitarrist und Gründungsmitglied der Band Macbeth) und Evil Oli von Undergrounded.