Während sich im Underground die Black Metal Events immer noch großer Beliebtheit erfreuen, ist es um einige große Veranstaltungen ruhig geworden. Dies hängt nicht nur mit der immer schwierigeren Situation zur Erfüllung der rechtlichen Auflagen und den dadurch steigenden immensen Kosten zusammen. Auch für die Bands besteht der berechtigte Wunsch, mit ihren Auftritten die Unkosten für Anreise, Unterkunft zu decken sowie ein Zubrot für Probenräume, Equipment, Studiomiete, etc. zu bekommen. Dass hier also schwindende Besucherzahlen und die damit einhergehende finanzielle Ungewissheit eine wichtige Rolle spielen, ist ein "No Brainer".
Als eines der letzten großen und vor allem „alt-ehrwürdigen“ BM Events, stemmt sich das „Under The Black Sun“ gegen den Trend des BM-Festivalsterbens. Deshalb ist es für uns an der Zeit, den Kampfgeist von Joerg Schröder, seines Zeichens Veranstalter und Label-Chef von Folter Records, auf die Probe zu stellen:
UG: Hi Joerg
JOERG: Hi Grave!
UG: Du hast mit dem UTBS 2017 die 20. Veranstaltung gefeiert und damit ein Jubiläum zelebriert – Wie fühlt sich das an?
JOERG: Zuerst möchte ich mich für die Ehre bedanken, ein Interview mit euch zu führen. Tja, wie fühlt man sich nach 20 Jahren. Gealtert würde ich sagen *lacht*. Ich bin stolz darauf, das so lange durchgezogen zu haben und immer noch dabei bin. Oft sah es ja so aus, als ob ich dann auch aufhöre, so wie viele andere Festivals, die später entstanden und dann wieder verschwunden sind. Aber es kamen immer wieder Leute an und meinten „Hey, du kannst das nicht aufgeben“ und schon war ich überredet. Letztes Jahr kamen Besucher aus Mexiko und den USA, die nur zum UTBS nach Europa gekommen sind. Da bekommt man schon eine Gänsehaut und das motiviert ungemein. Neben dem "Under The Black Sun" und meinem Label Folter Records bin ich ja außerdem noch lokaler Konzertveranstalter - und dies schon seit 1994. Dazu bin ich auch noch bei dem relativ neuen Festival "De Mortem Et Diabolum" involviert.
UG: Ich denke ohne Herzblut würde das nicht funktionieren. Aus finanziellen Gründen machen das inzwischen wohl nur noch die wenigsten bzw. diejenigen, die das in den Vordergrund stellen sind auch dann die Ersten, die „gehen“. Was ist momentan die größte Herausforderung für dich, um das inzwischen 21. UTBS zu stemmen?
JOERG: Ohne Herzblut muss man - ja sollte man - erst gar nicht anfangen. Früher war´s einfacher: da gab es nur ein paar Open Airs. Heute hat man fast dieselbe Anzahl an Festivals an einem Wochenende. Also sollte man es sich sehr gut überlegen, da was zu starten. Auch fehlt bei den Fans anfangs noch das Vertrauen und dann braucht man schon Nerven und Durchhaltevermögen. Heute brauch ich das aber auch noch. Jedes Jahr ist eine neue Herausforderung und man muss sich schnell auf neue Situationen einstellen. Gerade letztes Jahr, als uns 3 Monate vorher das Gelände gekündigt wurde - und das nach 10 erfolgreichen Jahren dort. Nun sollte das Gelände verkauft werden, so ein Jammer. Manch einer hätte aufgehört und hingeschmissen, aber ich habe versucht die Situation zu retten. Ich bin dann auf die Suche gegangen, hatte aber erst keinen Erfolg.
Als ich schon die Hoffnung aufgegeben hatte, kam Irsin in Gestalt eines langjährigen Besuchers des UTBS und Label-Inhabers daher. Er hat sogar selbst schon Open Airs in seiner Heimat Brädikow veranstaltet und witzigerweise haben da auch schon ANGANTYR gespielt (letztes Jahr auf dem UTBS), aber irgendwie ist das an mir vorbei gegangen. Naja, hingefahren, alles angeschaut und es hat gepasst. Es sah so aus als würden alle mitspielen, bis sich leider ein Anwohner quergestellt hat. Da ging nix mehr. Dann haben wir noch mal einen Anlauf in Friesack genommen (5 km von Brädikow entfernt), denn eigentlich wollten die nicht. Aber durch bequatschen, ständiges Bohren und auch ein bisschen Zufall und Glück hat es dann doch noch da geklappt. Und 2 Wochen nach dem Festival kam der Bürgermeister an und fragte, ob ich 2018 das UTBS nicht wieder da machen möchte. Das sagt doch alles, oder? *lacht* Auf diesem Wege noch mal einen Dank an den „Irsin“. Die größte Herausforderung für das 21. ist gegen die Konkurrenz zu bestehen und nicht den Wettlauf nach immer größeren, sprich teureren Bands mitzumachen. Aber ohne Bands mit Namen geht es halt auch nicht. Kein Besucher kommt für unbekannte Bands aus Australien oder den USA.
UG: Glück im Unglück würde ich da sagen und ein gutes Zeichen, wenn dir die Lokalpolitiker nun so wohlgesonnen sind. Ich war leider letztes Jahr verhindert, werde mir aber das neue Gelände dieses Jahr genauer anschauen.
JOERG: Ja ihr wurdet letztes Jahr schmerzlich vermisst. *lacht* Naja, die Gemeinden haben auch erkannt, dass sie mit solchen Veranstaltungen gutes Geld verdienen können. Aber es läuft auch alles gesittet ab, keiner zündet Kirchen an und es gibt keine Ausschreitungen.
UG: Es ist vermutlich schon richtig, wenn du sagst, dass für lokale oder unbekanntere Bands kaum jemand kommt – Hat sich in den letzten Jahren eine gewisse Sättigung event- und bandtechnisch eingestellt? Irgendwie hat man oftmals das Gefühl, dass die „Fans“ erst gar nicht kommen, wenn man nicht Bathory in der Originalbesetzung oder „Burzum meets Motörhead“ liefert. Wie sieht denn für dich das „perfekte“ Billing aus, wenn es nicht „Höher Schneller Weiter“ geht?
JOERG: Es kommt natürlich drauf an welche lokale Band spielt. In Deutschland existieren schon sehr gute Bands, für die auch Ausländer kommen würden, aber eben nicht in der Menge und wohl auch eher nur aus dem nahen europäischen Ausland. Schwer zu sagen, ob es eine Sättigung gibt. Für uns Deutsche denk ich schon, da hast du ja sämtliche Touren und im Sommer zig Festivals, wo die Bands von den Touren wieder verbraten werden. Schau dir BEHEMOTH an: die touren im Herbst/Winter/Frühjahr und im Sommer sind sie auf allen Open Airs und alle sind gut besucht. Bei anderen Bands verdreht man die Augen und denkt sich „Ach, die schon wieder ...“. Das ist immer bandabhängig. Das perfekte Billing gibt es nicht, du kannst ja nicht nur Headliner einladen.
UG: Natürlich hat jeder seine Favoriten, aber wenn mich UG eines gelehrt hat, dann dass es für jeden Headliner mindestens 10 Bands gibt, die einen ähnlich guten Sound mit sehr viel Herz spielen können. Es gibt wohl für jede Band eine Zeit und man muss den Hype darum erkennen.
JOERG: Ja klar, ist ja wie beim Sex, man möchte auch mal andere Stellungen ausprobieren und nicht immer nur Blümchensex haben. *lacht* Und nicht zu vergessen, die "großen" Bands fahren Zeug auf, da mutiert die Stage zur Theaterbühne und dann kommt so eine Band wie INQUSITION: Zwei Mann, stellen sich hin und spielen alles in Grund und Boden. Ok, die haben den Bogen auch etwas überspannt in letzter Zeit, aber nun nehmen sie ja eine Auszeit. Die hatten grad ihren Hype, wie du so schön sagtest.
UG: Ich bin immer wieder überrascht wie es einzelne Bands schaffen, das Publikum nur durch ihre Präsenz und Energie zu fesseln. Andere brauchen dazu Tonnen an Stage-Props und treten dann nicht auf, wenn man das ganze Zeug nicht zum Gig ankarrt. Trotzdem scheint gerade letzteres Trend zu sein, um besagtes „Höher-Schneller-Weiter“ zu erreichen bzw. um sich abzuheben. Inquisition hast du ja schon angesprochen – Gibt es auf der deiner Liste noch eine Band die du schon immer auf dem UTBS haben wolltest, aber (noch) nicht bekommen hast?
JOERG: Genau, manche Bands sprechen durch die Musik zum Publikum, andere machen eine Theatershow draus. Manchen scheint´s ja zu gefallen, aber ich finde das gehört nicht dazu. Vor allem nicht, wenn es sich um Konfetti handelt. BEHEMOTH wollten das mal auf einer Show haben, als ich denen dann aber die Reinigungskosten präsentiert hatte, wollten sie nicht mehr. *lacht* Was willst du da jetzt von mir hören? Die Bands die es nicht mehr gibt, die nicht dürfen oder die zu teuer sind. Ich hätte aber gerne auch mal KVIST, PROFANATICA, frühe SATYRICON, IMMORTAL, MASTER´S HAMMER gehabt, um das mal nicht ausufern zu lassen. Bei MH hat es ja nun geklappt, da freu ich mich schon wie Bolle rauf. Bei den anderen Bands besteht ja z. T. noch Hoffnung.
UG: Spannend – Da hätte ich tatsächlich andere Sachen erwartet *lacht* Das Billing dieses Jahr kann sich wirklich sehen lassen, und ich freue mich definitiv auf mehr Bands, als ich hier aufzählen könnte! Von Folter Records bzw. deinem Label kommen auch dieses Jahr wieder einige Bands – Was würdest du „Underground“ Bands raten, die sich bewerben möchten um auf dem UTBS aufzutreten?
JOERG: Ja, das kann ich mir vorstellen, aber die Aufzählung ist ja der letzten 20 Jahre geschuldet. Und diese Bands hätte ich schon gerne mal gehabt. Natürlich ist die Liste länger, aber ich will die Leser nicht langweilen. Und danke, ich hoffe, dass ich damit den Nerv der Fans getroffen habe. Es ist ja doch sehr gut durchmischt und ich konnte auch wieder ein paar Bands buchen, die man nicht so oft zu Gesicht bekommt. Ich hatte in meiner Vergangenheit auch schon öfters Bands, die einem kleinen Kreis bekannt waren und dann so richtig durchgestartet sind. Heute könnte ich die Bands nicht mehr einladen, einfach zu teuer. Leider werden meine Bands nur sehr sporadisch zu anderen Festivals eingeladen, daher ist es wichtig, dass sie wenigstens bei mir spielen dürfen. Es ist ja immer noch die beste Art die Bands bekannt zu machen. Was ich allen Bands raten würde: überlegt euch, wie ihr den Veranstalter anschreibt. Ich denke mal, dass es den anderen genauso geht, manche Bands rotzen dir ein paar Infos hin, keine Anrede und keine Links. Man muss auch nicht zwangsläufig eine CD mitschicken, eine vernünftige E-Mail macht´s auch, aber der Ton ist sehr wichtig. Es sollten alle wichtigen Informationen übersichtlich sein, man sollte den Veranstalter nicht nötigen, sich noch Songs oder Infos aus dem Internet suchen zu müssen.Ratsam ist es auch, sich vorher zu informieren was für ein Festival das ist. Ab und an bewerben sich schon Bands mit komischer Musik *lacht* Die bekommen dann auch leider keine Antwort. Ansonsten versuche ich jeder Band persönlich zu antworten.
UG: Dann werden wir mal die News verbreiten, wobei das ja auch eigentlich common sense sein sollte *lacht* Meine letzte Frage ist unser Klassiker: Stell dir vor du könntest 20 Jahre in der Zeit zurück und dein altes Ich mit dem Wissen von heute treffen. Was würdest du dem jungen Joerg raten oder mit auf den Weg geben?
JOERG: Ohh, der Traum eines jeden Veranstalters. *lacht* In den Anfangstagen hab ich das alles als große Party gesehen und nicht auf finanzielle Aspekte geachtet. Hauptsache Musik und saufen. Da entgleiten einem schon manche Dinge, die man später bereut. So z. B. mussten wir mal eine Band zum Bahnhof fahren, damit sie den Zug nach Berlin erwischen. Leider fühlte sich keiner imstande sie zu fahren, weil alle noch blau waren. Taxi hat dann irgendwie auch nicht richtig geklappt. Naja, auf jeden Fall hat die Band den Zug nicht geschafft und dadurch den Flug verpasst. Der musste dann neu gebucht werden und da waren gleich ein paar 1000 DM weg. Heute würde ich die gleich ins Taxi bis zum Flughafen setzen. Ein weiterer Aspekt, ich hab den Getränkeausschank anfangs anderen überlassen. Das war ein böser Fehler, der aber inzwischen zum Glück korrigiert wurde! Dann mal Prost und vielen Dank für das Interview. Man sieht sich ... auf dem UTBS!
UG: Bis dort!
Das Interview führten Grave von Undergrounded und Joerg von „Folter Records“. Mehr Informationen finder ihr HIER! und HIER!