Im Zuge des De Mortem Et Diabolum 2019 konnten wir Mitveranstalter Jan gewinnen, uns eine halbe Stunde lang Rede und Antwort zu stehen. Warum das Event im Havelland und nicht innerhalb von Berlin stattfand, wie es um die Kunstfreiheit in Sachen Black Metal steht, wie das Billing zustande kam und was die Zukunft bereithält – all diese Themen kamen zur Sprache.
Undergrounded: Hallo Jan! Danke, dass wir hier sein dürfen. Wir beginnen das Gespräch mal mit dem Elefanten im Raum.
Jan: … warum das De Mortem Et Diabolum 2019 nicht in Berlin, sondern in Paulinenaue stattfindet? Klar, darüber müssen wir sprechen. Die Geschichte wird, glaube ich, bisweilen falsch dargestellt. Man liest es aus dem Statement gerne heraus, dass die Antifa Schuld wäre, dass wir hier gelandet sind. Grundsätzlich war es nicht die Antifa, sondern die Location selbst. Es gab ja die Tourabsage von Mgła - daraufhin hat sich das Columbia-Theater informiert und Vereine gesucht, die alle Bands prüfen sollten. Im Black Metal ist es nun mal so: Wenn du googlest, hat irgendwann mal irgendwer irgendwo etwas geschrieben.
Undergrounded: Natürlich.
Jan: Es fing im Mai oder Juni an, dass wir Meetings in der Sache hatten. Daraufhin haben wir uns das alles angehört, zu allem Stellung bezogen und alle Vorwürfe entkräftet. Es ist mir sehr wichtig, zu betonen: Unser gesamtes Team kommt garantiert nicht aus der rechten Szene. Zum Teil eher das genaue Gegenteil. Wir verwehren uns dagegen. Die Künstler, mit denen wir zusammenarbeiten, sind gewiss extreme Künstler. Wir hatten sicherlich auch Bands, die einen fragwürdigen Ruf genießen – aber wir arbeiten mit Menschen. Wenn ich das Gefühl habe, dass ein Mensch okay ist, dann ist das Thema für mich erst einmal erledigt. Das war allerdings dem Columbia-Theater zu viel und sie wollten eine offizielle Bestätigung, dass diese Bands unbedingt nicht spielen. Das ist mal eine Auflage, mit der du es dann zu tun hast. Wir haben mit verschiedenen Behörden kommuniziert – schlussendlich kam bis jetzt nichts Offizielles zurück, obwohl es zugesagt war, und irgendwann lief uns die Zeit davon. Eigentlich ist es auch logisch - dass eine offizielle Behörde Internet-Kommentare überprüft, in Bezug auf Künstler, die in Deutschland eine Zielgruppe von 2000-3000 Menschen haben, ist gelinde gesagt Zeitverschwendung. Am Ende haben wir uns überlegt, dieses Geschäftsverhältnis aufzulösen, Stellung zu beziehen und auszuweichen. Aufgrund des Timings war es nicht möglich, noch eine akkurate Alternative in Berlin zu finden. Wir hatten überlegt, es zu verlegen – das funktionierte aber nicht mit den Bands, da diese ja auch ihre eigenen Zeitpläne haben, insbesondere die, die nicht aus Deutschland kommen. Paulinenaue wird aber höchstwahrscheinlich eine Ausnahme bleiben. Wir haben Optionen in Berlin, die gebrieft sind und die wissen, dass bei uns keine rechte Agenda zu finden ist – dazu kann ich aber noch nichts Genaues sagen. Ich persönlich habe jedoch keine Lust, in einer falschen Ecke zu stehen.
Undergrounded: Man kann über viele Bands und ihre Verbindungen diskutieren, das ist klar.
Jan: Im Black Metal findest du Diskussionsstoff bei vielen Bands, richtig - aber das findet man auch bei anderen Bands auf teils großen Festivals. Ich finde, dass man es sich bei diesem Einhacken auf kleine Bands auch viel zu einfach macht. Davon abgesehen, dass Boykott immer der falsche Weg ist - außer es wäre meiner Ansicht nach offensichtlich. Als Veranstalter kommuniziere ich ja mit den Bands. Wenn es jetzt zum Beispiel um Mgła geht, mit denen ich schon vor Jahren zusammengearbeitet habe, mit deren Booker ich auch klarkomme – lasst euch sagen: Das sind keine Nazis.
Undergrounded: Also wäre es auch keine Option gewesen, gerade in Hinblick auf die Auflagen des Columbia-Theaters, bestimmte Bands rauszuschmeißen?
Jan: Nein, ganz platt gesagt. Natürlich beschäftigt man sich damit. Hätte es Vorwürfe gegeben, die uns überzeugt hätten, dass dort eine politische Agenda ist, die mit den Überzeugungen unseres Teams nicht einhergeht und die wir nicht teilen können, dann hätten wir Konsequenzen gezogen. Da ist ja auch immer die Frage, wie weit die eigene Toleranzschwelle geht. Dementsprechend: Ja, man diskutiert über alles, was man vor den Latz geknallt kriegt. Schlussendlich ist da aber nichts zu holen. Wenn es aber nun schon ausreicht, einen Kommentar im Deaf Forever-Forum oder unter einem Review bei metal.de zu haben, der eine Band als „Grauzone“ abstempelt oder sie in eine rechte Ecke stellt, und wenn schon Kommentare über Bands, die nicht einmal bei uns spielen, sondern die bei Jörg von Folter Records aufgetreten sind, ausreichen, uns Seilschaften und Verbindungen anzudichten, dann geht es zu weit.
Undergrounded: Ihr habt damit ja auch eine gewisse Loyalität gegenüber der Szene gezeigt.
Jan: Ich weiß nicht, ob ich es Loyalität nennen würde. Ich finde es schwierig, es gibt auch in meiner Welt klare Grenzen des Vertretbaren – ich kann mit Rassismus überhaupt gar nichts anfangen. Das ist widerlich. Es ist auch da wieder dieser Grenzgang zwischen Provokation und dessen, was jetzt ernst gemeint ist. Im Moment herrscht wohl eine ziemlich aufgeheizte Stimmung.
Undergrounded: Extreme werden immer extremer. Siehst du allgemein, dass auch die Kunstfreiheit auf diese Weise beschnitten wird?
Jan: Ich finde es höchst problematisch, wenn Kunst eingeschränkt wird, solange sie natürlich verfassungskonform ist. Auch wenn man für sich im Black Metal das Chaos und das Dunkle auslotet: Es ist ja trotzdem so, dass wir alle Menschen sind, die zusammen leben müssen. Es wird ja nicht verboten – aber es wird solange drangsaliert, bis Dinge aufgehoben werden. Das ist für mich eine Einschränkung der Kunstfreiheit. Wenn ein Club mir sagt, dass sie dort keinen Black Metal-Gig stattfinden lassen wollen, weil sie damit nichts anfangen können oder ihnen die Musik zu extrem ist, ist das alles in Ordnung und legitim. Aber wenn man 2 Jahre in einem Club veranstaltet hat, auch Jörg, mein Co-Veranstalter, der dort noch viel mehr Konzerte organisiert hat, dann wird es fragwürdig. Vor allem, wenn jetzt im Nachhinein wieder andere Black Metal-Events dort stattfinden.
Undergrounded: Wie ist denn die allgemeine Situation in Brandenburg und Berlin, was die Konzertlandschaft im Black Metal-Bereich anbetrifft? Auch nach der Absage von Mgła.
Jan: Der Gig im Columbia-Theater wurde im April abgesagt. Angefangen hat alles in München. Das war der erste Gig der Tour, der gecancelt wurde, und das war sehr kurzfristig. Ab da sind noch zwei, drei andere Städte umgefallen, das war ein regelrechter Dominoeffekt – aber auch hier sind immer wieder Ausweichlocations gefunden worden, das muss man den Veranstaltern zu Gute halten. Mein Team und ich waren in Lübbenau mit dabei. Es gab davor einen Riesen-Tamtam, die Polizei war vor Ort - aber was geboten wurde, war eine starke Mgła-Show, ohne politische Agenda, und das in einem kleineren Club, was heute auch nochmal seinen Charme haben wird.
Undergrounded: Ihr habt ja die neue Location ebenfalls kurzfristig auftreiben müssen. Was waren da die Schwierigkeiten?
Jan: Grundsätzlich war das Problem, dass das De Mortem Et Diabolum ein Berliner Festival ist, weil wir alle von dort kommen, dort wohnen und dort leben. Die Auflagen haben wir, meine ich, im Juli/August bekommen – wir haben alles daran gesetzt, auch eine Eventstätte in Berlin zu gewinnen. Jetzt sind aber überall Weihnachtsfeiern in Berlin, viele Locations waren nicht mehr buchbar. Durch das Festival von Jörg kam die Idee mit dem Jugendhaus Paulinenaue hier im Havelland zustande. Die finale Entscheidung fiel erst kurz, bevor wir es angekündigt haben. Ich habe irgendwann Bilder von dem Jugendhaus gesehen und gedacht: „Oh Gott.“ Das erste Mal waren wir geschlossen im Oktober hier, waren aber tatsächlich sofort sehr angetan. Es wirkte auf den Bildern wesentlich kleiner und ich habe die Nacht davor auch ziemlich schlecht geschlafen – ich habe gedacht, wenn wir hier nur 200 Leute reinbekommen, dann könnten wir auch gleich absagen. Aber es ist alles familiär gehalten, es ist ruhig. Es gab keinen nennenswerten Gegenwind – hier und da vielleicht einen kritischen Kommentar, aber im Großen und Ganzen sind wir zufrieden.
Undergrounded: Was waren denn die größten Probleme im Zuge der Umstellung? Vermutlich hauptsächlich logistischer Natur – die Besucher aus Berlin hierherzubekommen.
Jan: Genau – wir haben schließlich Gäste aus 16 Nationen hier. Unser Festival ist international ausgerichtet. Natürlich gab es auch Storno-Anfragen und die größte Hürde waren die Leute, die sich ein Hotelzimmer in Berlin gebucht hatten. Wie bekommen wir diese Leute möglichst unproblematisch hierher ins Havelland. Man hätte auch die Running Order vorziehen können – aber das wäre insbesondere für den Freitag eine Katastrophe gewesen. Die Anfahrt mit dem Zug ist tatsächlich das Einfachste, aber in der Nacht wieder zurück nach Berlin zu kommen, ist das größere Problem. Deswegen haben wir die Shuttlebusse organisiert – zu einem Preis, den wir rechtfertigen können. Wir verdienen daran kein Geld. Die Bar unten wird bis 5 Uhr morgens offen sein. Die zweite Hürde war schlussendlich in unserer Vorstellung größer, als sie im Endeffekt war: Die Bands zu informieren, dass es nicht Berlin stattfindet, der Stadt, die jeder kennt – sondern eben in diesem kleinen Örtchen in Brandenburg. Aber das wurde sehr gut aufgenommen – keiner ist abgesprungen. Im Rückblick war wohl am Schwierigsten, eben zu bedienen, dass alle entsprechend informiert sind. Wie es nun einmal läuft: Man haut einen Facebook-Post raus – und ein Zehntel der Leute liest dann wirklich die Posts. Aber von Vorteil war schon, dass ein Großteil unserer Crew hier aus der Gegend kommt. Unser Soundmann war auch als Erster von allen hier – und er meinte, dass das passen wird, da ist uns ein Stein vom Herzen gefallen.
Undergrounded: Jetzt ist es bereits das 5. Jubiläum des De Mortem Et Diabolum – die ersten beiden Male im Nuke Club, dann im Capitol-Theater, jetzt hier.
Jan: Das stimmt nicht ganz – das erste Mal war im Nuke Club, das zweite Mal im Postbahnhof, der mittlerweile nicht mehr existent ist. Ihr seht schon: Wir wandern die ganze Zeit.
Undergrounded: Offensichtlich! Natürlich ist es schöner, ein Event mit einer Location zu verbinden – das macht es planbarer. Man identifiziert das Event mit der Örtlichkeit. Was war denn das größte Highlight in den letzten fünf Jahren?
Jan: Für mich ganz persönlich war das erste Jahr natürlich das spektakulärste – schlicht, weil ich davor noch nie als Veranstalter in Aktion getreten bin. Ich nenne ungerne Bandnamen, das würde sonst nicht allen gerecht. Das größte Highlight sind wohl die Freunde und Bekannte, die zu deinem Festival kommen, dadurch, dass man in der gleichen Szene unterwegs ist. Auch, wenn man sieht, woher die Bands eigentlich kommen, und woher auch das Publikum kommt. Menschen, die dir spiegeln, was für ein krasses Billing du da aufgefahren hast. Da spielen ganz verschiedene Faktoren mit. Ich meine, die Szene ist nicht so groß – ich glaube, dass sie das De Mortem Et Diabolum über die Jahre als gute Adresse für Bands entwickelt hat. Sie werden gut behandelt, es läuft alles gut – die Gäste sind zufrieden. So kriegt man dann auch mal Bands, die sonst nirgendwo auftreten.
Undergrounded: Unsere Frage wäre da nämlich auch gewesen, wonach ihr beim Booking geht.
Jan: Ich finde das gar nicht so leicht zu beantworten. Ich habe einen Großteil des Bookings in der Hand, habe eine klare Vorstellung und da spielen klar auch persönliche Vorlieben eine Rolle. Es geht natürlich oft auch schlicht um die Verfügbarkeit von Bands – wenn ihr jetzt Blaze of Perdition nehmt, die bei 3 von 5 Ausgaben des De Mortem Et Diabolum dabei waren, dann liegt das natürlich daran, dass sie gerade auf Tour sind. Ich bereue das auf gar keinen Fall, weil das eine großartige Band ist, aber das ist eher reiner Zufall – da sagt man auch nicht nein, wenn dir diese Tour angeboten wird. Selbiges gilt auch für die Walpurgisnacht, die im April stattfindet. Preise spielen natürlich auch eine Rolle, sowie die Flugkosten, und gerade als Musikjournalist hat man ja auch einen anderen Bezug. Schon bei unserer Erstausgabe haben wir ein riesiges Glückslos gezogen und hatten Mgła dabei, als sie noch weit weniger bekannt in der Szene waren. Letztes Jahr mit den Isländern, von denen ja jetzt auch wieder zwei Bands da sind, hatten wir ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal. Natürlich spielt die Funktion einer Band immer eine Rolle. Da in unserem Team auch der Folter Records-Inhaber dabei ist, sind auch immer wieder Bands seines Labels dabei. Man fragt sich dann durch: Wer ist verfügbar, wer hat Interesse – im Endeffekt ist es eine Mischung aus „Was will man selbst sehen“, „Was passt zu diesem Festival“ und „Was zieht Publikum“. Wir haben auch eine Philosophie dahinter – es gibt auch Bands, selbst im Black Metal, die weniger zu uns passen. Und es gibt die, an denen man lange dran ist, dass man sie mal zum Event bekommt, wo es noch nicht geklappt hat.
Undergrounded: Als Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Events sind manche Einträge, die sonst nirgendwo auftreten, natürlich unabdinglich. Gerade Ascension und Sinmara - und klar nimmt man auch Bands, die gerade ohnehin auf Tour sind. Mgła sind dabei eine Hausnummer, aber auch eine Band, die mittlerweile auf vielen Events vertreten ist.
Jan: Sinmara und Almyrkvi sind deshalb im Billing, da der Kontakt vergangenes Jahr über Misþyrming und Svartidauði zustande kam. Die Isländer sind sehr angenehme Menschen – und die Bands hatten auch wirklich Lust bei uns zu spielen. Gerade Sinmara sind eine super Band, die man sicher nicht überall sieht. Irgendwann gestaltet sich so etwas heraus. Bölzer haben bei uns auf dem 2. DMED gespielt, Dødheimsgard siehst du jetzt auch nicht immer – was Matterhorn anbetrifft, da denke ich mir, wir haben immer schon Exoten dabei gehabt. Das Package passte. Auch Membaris, die wir heute dabei haben, spielen nicht so oft.
Undergrounded: Das Publikum ist, wie du sagst, immer internationaler geworden. Hat sich auch etwas an der Erwartungshaltung des Publikums geändert? Oder merkst du überhaupt, dass es eine Erwartungshaltung gibt?
Jan: Es gibt schon eine klare Erwartungshaltung. Man merkt es ja, wenn eine Band angekündigt wird, aber im Grunde bekommst du ja nur negatives Feedback wirklich mit. Wir bewegen uns immer noch in einem Rahmen von ca. 500 Personen – und ich glaube schon, dass die Hälfte der Besucher Stammgäste sind, die jedes Jahr wiederkommen. Das Feedback lese ich auch tatsächlich – und es gibt verschiedene Wege, damit umzugehen. Entweder man nimmt es sich total zu Herzen, oder man ordnet es ein: Ist da jemand bockig, weil seine Lieblingsband nicht kommt, werden Wünsche nicht erfüllt… aber Social Media hat weniger Aussagekraft für mich, als wenn dir jetzt jemand gegenübersteht und dir ins Gesicht sagt, was du da für ein Scheiß-Billing aufgestellt hast – und das war bisher noch nicht der Fall, eigentlich im Gegenteil.
Undergrounded: Man suggeriert einen größeren Anspruch und dass es eben kein 08/15-Festival ist. Auch mit dem Artwork.
Jan: Es gibt klare Vorbilder bei diesem Festival. Wir sind ja auch ein größeres Team, aber der, mit dem ich das De Mortem Et Diabolum gegründet habe, hatte den Eindruck, international passierte immer viel mehr, als bei uns. Ich war zum Beispiel immer wieder beim Aurora Infernalis, welches leider -warum auch immer- den Bach heruntergegangen ist, auf dem Nidrosian Black Mass in Belgien, das es nun wieder unter neuem Namen gibt, auf dem Funkenflug… Die haben alle etwas Besonderes – dort sind immer besondere Bands und das ganze Drumherum ist etwas Einzigartiges. Der Sound bei diesen Events war einmalig – und sowas fehlte in Deutschland, meiner Meinung nach. Jedes Wochenende kannst du fünf verschiedene Festivals besuchen – und du musst herausstechen. Wir haben auch einen besonderen Grafiker, der von Anfang an die Designs entwirft, da ist die Kommunikation schon fast intuitiv. Er weiß, was wir uns vorstellen, und er haut uns in der Regel jedes Mal aufs Neue um. Ich finde schon, dass man solche Dinge auch herausstellen kann. Auch hochwertige T-Shirts fallen auf.
Undergrounded: Kommst du denn noch selbst dazu, auch Bands live zu genießen, wenn du veranstaltest?
Jan: Ich habe jetzt heute selbst nur Evohé erwischt – der Sound war wirklich gut. Auch letztes Jahr im Columbia-Theater war es überragend, was den Sound anbetrifft, was die Crew geleistet hat. Das ist unser Anspruch. Das ist auch nicht abwertend gegenüber kleineren Club-Gigs gemeint – aber wie viel der Sound ausmachen kann, ist einfach atemberaubend. Misþyrming oder Ascension als Beispiel: Das kriegt einfach eine ganz andere Energie, als irgendein „Geschrammel“, wenn ein Tontechniker daran sitzt, der Ahnung hat. Bei uns im Orga-Team gibt es auch Leute, die Black/Thrash feiern, und das darf ja auch durchaus mal wütend und dreckig sein. Diese Aggression, zum Beispiel bei Deströyer 666, die wir 2017 zu Gast hatten und einen gehörigen Hass-Gig präsentierten, passt aber trotzdem, auch wenn ich persönlich da jetzt weniger Fan bin. Extreme Bands aller Schattierungen, die viel Atmosphäre kreieren. Aber klar, wenn du jetzt nur Bands dieser Art hast, fängst du langsam an wegzudämmern. Das Ambiente beispielsweise beim Prophecy Fest muss einmalig sein.
Undergrounded: Die Balver Höhle macht einiges her.
Jan: Als Label-Fest hast du eine gewisse Einschränkung, und ich war selbst noch nicht da, aber das muss unglaublich eindrucksvoll sein. Ich glaube, darauf kommt es an: Exklusivität zu schaffen. Andere Sache, wenn man mal an Events wie das Beyond The Gates in Norwegen denkt: Ich finde unseren Ticketpreis beispielsweise selbst nicht günstig, da bin ich ehrlich. Wir werden nicht reich an diesem Festival. Wir haben mal Verluste erlitten, mal ein bisschen Plus gemacht. Aber ich finde es gerechtfertigt für das, was wir bieten. Unsere ersten Ankündigungen für nächstes Jahr sind ja auch schon da: Misþyrming werden erneut 2020 bei uns zu Gast sein, und außerdem haben wir Sulphur Aeon gewinnen können.
Undergrounded: Ihr plant schon fleißig für das kommende Jahr – was wünscht ihr euch noch, außer einer steten Location? Kannst du da schon etwas zu sagen?
Jan: Nur, dass es cool wird. Wir haben tatsächlich die Auswahl. Es gibt die Option, eine Up-and-coming Location zu nehmen – oder etwas, was in Metal-Kreisen bisher noch gar nicht bekannt ist. Dort wurden noch keine Metal-Festivals ausgerichtet. Man muss jetzt beide prüfen.
Undergrounded: … weil es bisher nur andere Musikgenres bedient hat?
Jan: Wenn dort überhaupt schon Live-Musik stattgefunden hat. Es ist ein Veranstaltungsort, der uns sehr gefallen hat. Aber es gilt jetzt die Fragen zu klären: Wie ist die Anbindung, wie ist die Akustik, was für Kosten werden wir haben. Es steckt schon das Ziel darin, dass sich das Festival trägt – und da gehört in meiner Welt auch dazu, dass die Personalkosten gedeckt sind. Wenn man herunterbricht, was bei uns manche aus dem Orga-Team pro Stunde verdienen, sind wir vielleicht bei 20 Cent, wenn überhaupt. Das ist natürlich nicht tragbar – was hängen bleibt, ist die Hoffnung, dass man im nächsten Jahr vielleicht etwas Größeres auf die Beine stellen kann. Keiner von uns ist auf die Einnahmen des Festivals angewiesen und bestreitet seinen Lebensunterhalt damit – wir machen alle etwas anderes, außer Jörg, der Veranstalter ist und Folter Records betreibt.
Undergrounded: Da kommt wieder die Leidenschaft zu tragen.
Jan: Ich habe durchaus schon einmal für mich kalkuliert, ob es Sinn macht, aber ich bin zu dem Schluss gekommen: Macht es nicht. Aber es ist trotzdem die Leidenschaft, wie ihr sagt. Man will der Szene etwas geben und sicherlich ist auch ein bisschen das Ego dabei. Ich habe sonst die Gelegenheit, bei sehr großen Festivals reinzuschnuppern – vieles kann man auch auf die kleineren Events übertragen. Zum Beispiel Artworks und Grafiken, die dann etwas ausmachen.
Undergrounded: Es kommt dann auch beim Fan so an, dass es den Leuten, die hinter dem Event stehen, nicht egal ist, und dass dort Herzblut drinsteckt.
Jan: Ich mag andere Sachen nicht verurteilen. Aber man gewinnt schon den Eindruck, dass oft Dinge so „dahingeworfen“ wirken. Ich besuche auch gerne mal Events mit 70 Besuchern, wo der Sound dreckig ist - das kann auch richtig viel Charme haben.
Undergrounded: Konzerte, bei denen der Sound eher bescheiden ausfällt, haben wir alle schonmal erlebt. Es gibt Bands, da fällt das weniger ins Gewicht…
Jan: …aber bei Bölzer braucht niemand einen verkackten Sound, mit Verlaub. Bei Live-Musik bin ich hin- und hergerissen. Viele Parts sind einfach wahnsinnig kompliziert, auch bei Bands wie Blaze of Perdition.
Undergrounded: Gibt es sonst noch etwas, was du über die 2020er Pläne verraten magst?
Jan: Natürlich gibt es ja noch die Walpurgisnacht. Das ist eine spontane Idee gewesen, die aufgrund der Uada-Tour zustande kam. Dort werden wir noch weitere vier Bands ankündigen. Es wird sich herausstellen, ob wir das fortführen. Ich glaube, bis jetzt kam immer etwas Gutes heraus.
Undergrounded: Gibt es denn noch Bands, die ihr euch persönlich wünscht für eine zukünftige Ausgabe des De Mortem Et Diabolum?
Jan: Tatsächlich ja. Ich mag keiner Band vor den Bug schlagen. Aber bei einem Kollegen aus dem Orga-Team wären es Arckanum – er meinte schon, er würde auch privat Geld reinstecken, wenn wir es schaffen würden, den Musiker mal mit einer Band auf die Bühne zu bewegen. Bei mir wären es -und das ist kein Geheimnis- Mare, die tatsächlich auch live spielen. Mal schauen, was noch klappt – es gibt auf jeden Fall eine sehr lange Liste und es wird auch immer so sein, dass wir Bands, die im Publikum gut ankamen, wo es auch zwischenmenschlich gut passt, auch erneut einladen. Das ist eine sehr wichtige Komponente. Wir haben nicht den Anspruch Bands zu holen, nur, weil sie ein aktuelles Album haben – unser Ziel ist Kunst zu fördern und Künstler auf die Bühne zu bestellen.
Undergrounded: Also kein Ende in Sicht. Ein schönes Schlusswort.
Jan: Das Jahr hat graue Haare hinterlassen, definitiv. Ich weiß selbst noch nicht, was ich draus lernen soll. Ich komme ursprünglich aus der linken Szene. Aber wenn du anfängst, gegen deine eigenen Leute kämpfen zu müssen und du zwischen den Stühlen sitzt, dann kratzt das an deiner Identität. Das ist schwierig.
Undergrounded: Im Ursprung ist es ja nicht die rechte Ideologie, sondern ein Misanthropie-Gedanke, der total falsch verstanden wurde, der dem Black Metal zugrunde liegt.
Jan: Extreme Musik zieht extremes Gedankengut an. Ich kann damit umgehen. Ich bin zehn Jahre bei metal.de – und wir diskutieren seit zehn Jahren die gleichen Themen. Da wirst du müde. Dann erzählen dir Leute, dass für sie die ganze Diskussion neu ist und dass für sie die Mgła-Debatte extrem ist.
Undergrounded: Danke für das Interview!