Interview mit Hendrik Rosenberg (German Democratic Recordings)
Interview

Interview mit Hendrik Rosenberg (German Democratic Recordings)

G.D.R. ...hinter der ehemaligen, internationalen Abkürzung für die DDR verbirgt sich heutzutage das kleine Label German Democratic Recordings. Alte, weitestgehend unbeachtete und unveröffentlichte Aufnahmen von Metal-Bands aus der DDR werden hier gesammelt und remastert, um dann auf CD oder Vinyl veröffentlicht und verbreitet zu werden. Hendrik Rosenberg, Mastermind von G.D.R., stand uns Rede und Antwort.

  • von Ghostwriter
  • 31.01.2014

UG: Hallo Hendrik, zu Beginn eine kurze Vorstellungsrunde für die Leser, die dich nicht kennen: was ist dein Background, wie kamst du zum Metal und vor allem zu Metal aus der DDR?

Hendrik: Ich bin im thüringischen Gera aufgewachsen und wurde von meinem knapp zwei Jahre älteren Onkel als AC/DC-Fan rekrutiert. Danach habe ich dann weiteren harten Stoff gesucht und so zum Heavy Metal und später zu anderen Spielarten wie Thrash, Death und Grindcore gefunden. Der Metal aus der DDR war in diese Suche immer eingeschlossen und deshalb sind die ersten Hard&Heavy-Platten meiner Jugendzeit auch aus „Amiga“-Produktion.

UG: Wann hast damit angefangen, alte Aufnahmen von Metalbands aus der DDR zu suchen?

Hendrik: Nach der Wende habe ich mich (wie die meisten anderen ostdeutschen Fans auch) erst mal mit Tonträgern von „westlichen“ Bands eingedeckt. Dennoch habe ich mir für das Auto ein Mix-Tape erstellt, welches mich über die Neunziger hinweg begleitet hat. Die Original-Kassetten sind bei einem Umzug leider verschollen und als ich nach der Jahrtausendwende in den (damals noch legalen) Internet-Tauschbörsen nach den Ost-Bands meiner Jugend gesucht habe, bin ich leider nicht fündig geworden. Also habe ich die Ostmetal-Homepage erstellt und dort auch eine Tauschbörse eröffnet, durch die ich an viele Aufnahmen von DDR-Metal-Bands gekommen bin.

UG: Wie läuft so eine Suche eigentlich?

Hendrik: Direkt gesucht habe ich nur nach Titeln, die ich noch aus dem DDR-Radio kannte, aber der größte Teil des eingehendes Tausch-Materials war mir bis dahin unbekannt. Es gab ja nur die „Heavy-Stunde“ bei „Jugendradio DT64“ und manchmal lief auch etwas Metal in der „Beatkiste“, aber das Meiste spielte sich im Untergrund ab.

UG: Woher bekommst du die Aufnahmen? Sind das Dachbodenfunde oder bekommst du diese direkt von den Bands?

Hendrik: Teils teils. Ich habe viele Radio-Mitschnitte von anderen Ostmetal-Fans bekommen und etliche Musiker von damals haben mir auch ihr vorhandenes Material zur Verfügung gestellt. Die haben ihre Bands auf meiner Homepage gefunden und freuten sich, dass sich einer um das Vermächtnis der DDR-Metal-Bands kümmert.

UG: Suchst du einfach drauf los oder habt ihr bei G.D.R. immer ein Ziel/bestimmte Aufnahmen (für eine Veröffentlichung) vor Augen, die ihr finden wollt?

Hendrik: Das läuft bei uns eher anders herum, denn wir veröffentlichen das Material, das wir haben. Natürlich suchen wir weiterhin Aufnahmen aller Art, aber wir veröffentlichen das Material erst, wenn wir genügend brauchbare Songs haben. Deswegen halten wir derzeit auch noch die Demos der Hallenser Band PANTHER zurück (wir suchen noch den Song „Höllenfeuer“ in brauchbarer Qualität) und haben die BLITZZ-CD „Tarantella“ erst drei Jahre nach Erhalt der Songs von der unveröffentlichten LP aus dem Jahre 1989 herausbringen können, weil wir noch auf einige Live-Tracks warten mussten, die den Tonträger abgerundet haben. Wir mögen es nicht unvollständig und wollen nur „ultimative“ Tonträger veröffentlichen. Wir würden uns grün und blau ärgern, wenn ein fehlender Song kurz nach der Veröffentlichung auftauchen würde! Deswegen auch die schon erwähnte Suche nach dem PANTHER-Song.

UG: Für welche Aufnahme habt ihr am längsten gesucht bzw. welche war am schwierigsten zu finden?

Hendrik: Das war die eben schon erwähnte BLITZZ-Live-Aufnahme vom „Berliner Rocksommer 1988“ und am schwierigsten zu finden ist nach wie vor der Song „Höllenfeuer“ von PANTHER in einer guten Version, denn selbst das Deutsche Rundfunk-Archiv konnte uns da nicht weiterhelfen. Ansonsten lassen wir das Material auf uns zukommen - was sind schon ein paar weitere Monate nach über zwanzig Jahren? ;-)

UG: Werden die Aufnahmen bearbeitet oder kommen sie im Originalzustand auf die CD oder Vinyl?

Hendrik: Alle Songs werden von den zur Verfügung stehenden Tapes professionell digitalisiert und für die Veröffentlichungen natürlich remastert. Dafür ist übrigens mein ehrenamtlicher Mitarbeiter Patrick W. Engel zuständig.

UG: Wie viele Platten sind über G.D.R. schon veröffentlicht wurden?

Hendrik: Bislang haben wir 6 CDs (MACBETH, TITAN, PLATTFORM, DEATHTRAP, ROCHUS und BLITZZ) sowie eine LP mit historischen Material (MOSHQUITO) und 2 LPs mit aktuellem Inhalt (MACBETH, ARGUS/MOSHQUITO/XIOM) herausgebracht. Wir arbeiten aber derzeit an weiteren Veröffentlichungen, aber leider kann ich noch keine Namen nennen. Erst wenn der Vertrag unterschrieben ist, geht es in die Endphase, in der wir dann auch Vorankündigungen publizieren.

UG: Was ist das Zielpublikum von G.D.R.? Die Altfans, die die Bands noch live gesehen haben oder die neuen Fans wie mich, die den Metal aus der DDR erst später entdeckt haben?

Hendrik: Eigentlich beide, auch wenn unsere Intention anfänglich eher auf die Alt-Fans abzielte. Aber mittlerweile hat sich herausgestellt, dass sich die jüngeren Fans auch gerne anhören, worauf die Metal-Jugend der DDR abgefahren ist. Letztendlich betrachten wir unsere Veröffentlichungen als Fan-Projekt und begrüßen daher auch jeden Spätentdecker. Wir arbeiten ja nicht gewinnorientiert und freuen uns über jeden Fan, der die Mucke aus unserer Jugendzeit auch geil findet.

UG: Welche Aufnahme von welcher Band ist euer “Heiliger Gral”? Welche Aufnahme wollt ihr unbedingt noch finden?

Hendrik: Das ist der schon angesprochene Song „Höllenfeuer“ von PANTHER und die berühmte „Schwimmbad-Aufnahme“ von MCB vom Sommer 1985. Ansonsten möchten wir von allen Songs, von denen noch ein Mitschnitt existiert, natürlich immer die bestmöglichste Version haben - selbst wenn wir die Songs noch gar nicht kennen *lacht* Das Schwierigste an unserer Arbeit ist nicht die Song-Suche, sondern das Finden der Komponisten und Texter. Selbst in heutigen Zeiten ist es nicht immer einfach, die Urheber von damals ausfindig zu machen. Zur Zeit suchen wir zum Beispiel dringend Kontakt zu einem Mitglied der Freitaler Band MADHOUSE. Aber da ich ja auch ein DIY-Fanzine namens „Eisenblatt“ zum selben Thema herausgebe, sind eigentlich alle Kontakt-Möglichkeiten zu Musikern von damals (für Interviews und Ergänzungen auf der Ostmetal-Homepage) immer willkommen!

UG: Zu guter Letzt: Stell dir vor, du triffst dich selbst am Anfang von G.D.R. mit dem Wissen von heute und hättest die Chance dir etwas auf den Weg zu geben. Was würdest du sagen?

Hendrik: Ich würde mir raten, die gerade in Arbeit befindlichen Projekte nicht mehr zu publizieren, denn das vergrößert die Erwartungshaltungen und beschwört Enttäuschungen herauf, falls es doch nicht klappen sollte oder es größere Verzögerungen gibt, wie es bei BLITZZ und BIEST der Fall waren bzw. sind. Ansonsten haben wir uns im Nachhinein keine Fehler vorzuwerfen - wenn man mal davon absieht, dass wir von unserer ersten Veröffentlichung „Zeit der Zeiten (1985-1989)“ von MACBETH mehr Exemplare hätten pressen lassen sollen. Apropos: Den Jungs von MACBETH muss ich übrigens an dieser Stelle mal ausdrücklich danken, denn sie haben uns den Einstieg ermöglicht, obwohl die Aufnahmen bis heute das Material mit der schlechtesten Ton-Qualität in der Geschichte von „German Democratic Recordings“ sind. Durch die Erlaubnis, auf ihren Konzerten meine Tonträger zu verkaufen, haben sich auch viele Kontakte zu anderen Musikern von damals ergeben und viele Ostmetal-Fans sind auf meine Projekte aufmerksam geworden.

UG: Hendrik, ich danke dir vielmals für das Interview!

Das Interview führten Hendrik Rosenberg von G.D.R. und Evil Oli von Undergrounded.

Ghostwriter

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