Erech Leleth ein Multitalent zu nennen, dürfte noch Untertrieben sein. Der Wahlösterreicher, der unlängst aus Deutschland in die Alpenrepublik umsiedelte, hat neben unzähligen Aktivitäten in diversen Bands gleichzeitig mehrere Solo-Projekte im Feuer. Damit nicht genug, hat er seit 2020 mit Ad Victoriam ein eigenes Label. Zeit für uns ein paar Fragen zu stellen!
UG: Hi Erech!
Erech: Hi Undergrounded!
UG: Wir haben selten Interviewpartner mit denen wir so viele unterschiedliche Themen besprechen können und man tut sich schwer an welchem Punkt man einsteigen soll. Ich denke ein guter Start wäre klassischerweise auch die Frage nach deinem Start! Laut Metallum ist dein erster Output von August 2019 und zwar die Demo „Hybris“ von „Order of Ištar“ und deinem Pseudonym „Asmodi“ . Wie lange warst du schon in der Szene unterwegs bevor du selber kreativ wurdest?
Erech: Im Jahr 2010 habe ich mich mit einem befreundeten Drummer für das Black Metal-Projekt „Der Toten Lebend Schein“ zusammengetan und kurz darauf mit meinen Freunden von Tåkeheim eine Split rausgebracht. Damals war der Sound eher ruppig mit klaren Punkeinflüssen, da da nun mal meine Wurzeln liegen. 2017 folgte dann nach längerer Black Metal-Abstinenz die erste echte EP „...von Leichen bewohnt“, welche über Pest Productions erschienen ist. Die Drums dafür wurden schon 2012 aufgenommen, nur war die Zeit noch nicht reif. Die Riffs für Order of Ištar kamen mir dann 2018 zugeflogen und damit auch die Motivation mich mehr auf die Musik zu konzentrieren.
UG: Also entweder hab ich schlecht recherchiert oder das war so Underground, dass es noch nicht mal auf Metallum verknüpft ist lacht. Du sagst, dass du aus einem Punk Hintergrund kommst. Deine Projekte sind teilweise sehr unterschiedlich bzw. haben hier mal einen Industrial/Gothic, dort einen folkigeren Touch - Wie kamst du initial drauf, das mit BM zu verknüpfen, bzw. was reizt dich am Stil?
Erech: Die meisten Songs entstehen auf einer Akustikgitarre und beginnen mit einer Melodie bzw. einer Akkordfolge. Grundsätzlich könnte sich von da aus die Musik in alle Gefilde entwickeln. Nun bietet Black-Metal aber wirklich eine breite Palette an Ausdrucksmöglickeiten und ist über die Zeit das Genre geworden, in welchem ich mich sehr wohl fühle. Ich hab mich z. B. noch nie mit Industrial oder Gothic beschäftigt und finde es immer wieder faszinierend, was alles für Einflüsse entdeckt werden. lacht Viele der eher eingängigen Black Metal-Riffs, z. B. die des finnischen Stils aka Sargeist und Co. könnten unverzerrt genau so gut als Gesangsmelodien im Pop-Bereich funktionieren und für mich macht auch genau das einen guten Song aus, wenn man ihn nur mit Klavier bzw. einem Begleitinstrument und Gesang performen könnte und die Essenz erhalten bleibt.
UG: Ich finde die Dynamiken bzw. wie du so schön sagst "die Palette an Ausdrucksmöglichkeiten" im Black-Metal grundsätzlich sehr breitgefächert, auch wenn das, ich nenn es mal "Genrefremde", vielleicht gar nicht so wahrnehmen. Aber gerade Black'n'Roll, oder der starke Einsatz von Synthesizern und anderen Effekte im Dark Ambient Bereich gehen schon stark in diese Richtung und funktionieren dennoch tadellos. Wenn man jetzt z.B. dein Projekt Ancient Mastery und Carathis miteinander vergleicht, erkennt man viele Parallelen, aber trotzdem grundverschiedene Vibes - mal von den vielen anderen Projekten ganz zu schweigen. Woher nimmst du die Muse und Energie?
Erech: Als ich letzten Sommer am ersten Akt von Narzissus (damals noch Narziss) gearbeitet habe, spürte ich zum ersten Mal einen wirklichen Rausch beim Songwriting. Dieses Gefühl kam dann beim Ancient Mastery Album im Winter 2020 zurück und blieb mir glücklicherweise bis heute erhalten. Zu Beginn war dieser Rausch eher aus der Not geboren, vornehmlich in emotionalen Umbruchsituationen, also als quasi-therapeutisches Ventil. Mittlerweile braucht es diese Not nicht mehr und sobald ich mich an einen Song setze, kommen immer irgendwelche Ideen. Meistens lasse ich sie dann etwas liegen und schaue, ob sie mir nach ein paar Tagen immer noch gefallen, aber manches Mal, wie z. B. bei der Grandeur EP schreibe ich die Songs und nehme sie unmittelbar auf, weil ich merke, dass alles passt. Inspiration gibt es dabei Allerorten, obwohl ich sagen muss, dass es mir meine (nicht mehr ganz so) neue Heimat Wien verhältnismäßig leicht macht. Ich hab hier sehr gute Leute in meinem Umfeld und viele Künstler*innen aus verschiedensten Bereichen um mich rum, wofür ich sehr dankbar bin. Und es ist natürlich immer wieder krass zu sehen, dass Leute die Kreationen, welche ich hier in meinem Kämmerlein zusammenbraue, wirklich abfeiern. Das alles ist also kein hermetischer Schaffensprozess, sondern immer auch Reaktion auf meine Umgebung.
UG: Wenn ich das richtig verstanden habe, hat vor allem dein Umzug nach Österreich dazu beigetragen?
Erech: Ja, der Standortwechsel hat definitiv neue Energien freigesetzt. Dabei war die Wahl nach Wien zu ziehen recht spontan, aber ich bereue sie keine Sekunde. Ich kann mir ehrlich gesagt momentan nicht vorstellen, jemals woanders leben zu wollen und leider auch zu können lacht.
UG: Wien ist definitiv eine beeindruckende Stadt und der Humor bzw. die Lebensart dort sehr speziell lacht Ich war bis vor einer Weile extrem reisefaul, aber je mehr ich sehe, desto mehr denke ich dass es fast überall auf der Welt auf die eigene Art und Weise beeindruckend ist und sein kann - wenn man die richtige Landschaft und ja, auch Leute um sich hat. Gerade Letzteres ist auch eine Frage die sich mir bei deinen vielen Projekten stellt: Hast du vor welche davon auch mal mit einer Kombo auf die Bühne zu bringen bzw. hast du das schon?
Erech: In den nächsten Jahren kann ich mir gut vorstellen ein Live Lineup auf die Beine zu stellen und ein paar Konzerte zu spielen. Momentan ist mir das aber zu zeitintensiv. Auf regelmäßige Proben, Konzertvorbereitungen etc. verzichte ich grad lieber zugunsten von Songwriting, Studium und Co.
UG: Mehr Zeit für Kreativität an allen Fronten ist wohl nie verkehrt - jetzt bist du ja auch schon eine kleine Weile in Österreich, hast du das Gefühl die Szene dort tickt anders als hier bzw. verknüpft man sich mit den dort ansässigen Künstlern? Mit Abigor oder Summoning kommen ja auch ein paar andere Urgesteine aus der "Metropole des Morbiden".
Erech: Durch den Umstand, dass meine Projekte durchweg Studioprojekte ohne Konzerte sind, bin ich der österreichischen Szene noch nicht wirklich verbunden. Ich bin durch die Musik in Kontakt mit Bands, Labels und Individuen aus Indonesien, Russland, den USA, China, Kanada und unzähligen weiteren Ländern gekommen, was ich als enorme Bereicherung empfinde. Doch ich muss auch zugeben, dass ich mit der Zeit immer weniger Metal konsumiere und mich eine Mahler-Symphonie weitaus mehr bewegt, als die meisten Metalsongs (mit Ausnahmen natürlich).
UG: Kann ich nachvollziehen. Es vergeht eigentlich kein Tag an dem nicht zwei oder drei neue Releases auf den Markt geworfen werden - vor allem in Corona Zeiten wo statt Touren eben ins Studio gegangen wird. Es spielt sich eine gewisse... wie sag ich das jetzt... "generische Langeweile" ein und man muss nach den wirklich herausstechenden Releases tiefer wühlen. Welches deiner Projekte würdest du denn gerade als dein vielversprechendstes sehen - bzw. wo hängt dein Herzblut?
Erech: Das ist schwierig zu beantworten. Am meisten Arbeit steckte definitiv im Golden Blood-Debüt „Serpent Chariot“, doch waren die Rückmeldungen dazu eher verhalten. Bei Ancient Mastery kann ich meine nerdige Fantasyliebe voll ausleben, also befriedigt mich daran eher das eskapistische und regressive Moment. Narzissus gibt mir wegen der deutschen Texte lyrisch noch einmal größeren Spielraum, wobei auch hier das Debütalbum Akt III Einflüsse aus Pop, Klezmer und dem klassischen Kunstlied haben wird. Das Songwriting für das Grandeur Debütalbum läuft grad auch ziemlich gut und geht eher in die Post Rock-Richtung á la Sigur Ros etc. Mal schauen wie sich das ganze dann am Ende anhören wird. Bei meinen ersten Releases hatte ich noch einige Referenzbands im Kopf in deren Richtung ich meinen Sound entwickeln wollte. Das hat sich in den letzten Monaten sehr geändert und ich möchte mich genretechnisch nicht mehr festlegen, sondern songdienlicher schreiben und ich bin selber sehr gespannt, ob diese Experimente funktionieren.
UG: Was ich bisher gehört habe, funktioniert jedenfalls für mich lacht Kommen wir noch auf dein(e) Label oder sagen wir zum "Henne-Ei" Part. Welche Ziele verfolgst du denn mit "Doctrina Carnis" bzw. "Ad Victoriam"?
Erech: Doctrina Carnis ist aus dem Wunsch einer Freundin und mir nach einem gemeinsamen Projekt entstanden. Ein Label zu gründen schien da die naheliegendste Lösung. In den nächsten Jahren kommen sicher noch ein paar Releases dazu, aber Karriere-Bestrebungen gibt es da keine lacht Ad Victoriam ist recht spontan entstanden, als ich letztes Jahr auf einer griechischen Insel keine Gitarre zur Hand hatte und trotzdem irgendwie was mit Musik machen wollte, aber mir ist dadurch klar geworden, dass ich absolut nicht der Richtige bin, um ein Label zu unterhalten, darum ist das jetzt momentan auf Eis gelegt.
UG: Was ja praktisch die nächste Frage triggert bzw. die andere obsolet macht - viele Projekte gründen ja eigene Label um die eigene Band(s) zu pushen bzw. zu managen. Gibt es denn im Umkehrschluss Anfragen von etablierten Label für deine Projekte und käme das für dich in Frage?
Erech: Ja, es gab schon einige Anfragen, vor allem zu Ancient Mastery und Grandeur. Momentan bin ich aber sehr zufrieden mit Death Kvlt bzw. Death Prayer Records, Northern Silence Productions, Pest Productions, Personal Records oder den legendären Halo of Flies, welches durch die Grandeur EP nochmal von Toten geweckt werden konnte. Bisher habe ich nur mit Goat Room aus Kolumbien schlechte Erfahrungen gemacht (wie alle anderen anscheinend auch).
UG: Dann kannst du dich über mangelndes Interesse jedenfalls nicht beschweren, vor allem wenn die "legendären" Goat Room involviert sind lacht. Ich hoffe allerdings, dass du den Rufen "play in (hier generische Stadt in Südamerika einfügen)" erstmal widerstehen kannst, sobald es Richtung live-Auftritte geht! Was sind denn konkret die nächsten Steps in deiner musischen Karriere - als kleiner Ausblick?
Erech: Ich würde schon gerne mal in Bogotá oder Buenos Aires spielen, aber vermutlich starte ich erstmal in Wien lacht Narzissus Akt III steht jetzt an, geschrieben ist alles, jetzt geht's vornehmlich ums Recorden. Ich arbeite dafür mit Derick, dem Drummer von Vallendusk aus Indonesien und einer finnischen Sängerin zusammen. Es wird aber auch noch ein paar weitere Gäste geben und ich bin sehr gespannt, wie das Ganze dann zusammen wirkt. Zeitgleich läuft die Arbeit an Ancient Mastery Chapter Two auf Hochtouren, wobei da die größte Herausforderung ist die Story gut unterzubringen, ohne dass die Eingängigkeit drunter leidet und die Waage zwischen Kitsch und Tiefgang auszuloten. Aber das klappt bisher recht gut. Derweil arbeite ich aber auch noch an einigen anderen Projekten aus dem Nicht-Metal-Bereich, aber davon ist noch nichts spruchreif.
UG: Das klingt nach einer Menge Output und so als ob du an beiden Ecken lichterloh brennst. Ich werde das natürlich scharf beobachten was da noch auf uns zukommt! Zum Abschluss hast du das Wort!
Erech: Ich bin wirklich einfach nur dankbar, dass es Menschen wie dich gibt, die ihr Herzblut in diese Sache stecken und die Flamme am Leben erhalten. Ich geb' dafür mein Bestes, dass ihr in nächster Zeit genügend Platten von mir besprechen könnt. ...und hört mehr Ferdasyn!
Das Gespräch führten Erech Leleth ( (Ancient Mastery, Golden Blood, Carathis, Der Toten Lebend Schein, Grandeur, Haunted Palace, Narzissus, Order Of Istar) und Grave für Undergrounded. Mehr Informationen zu seinen Projekten findet ihr HIER: