Im YouTube Channel von “Atmospheric Black Metal Albums” steht das 2020 erschienene Album “Esse Est Percipi” der slowakischen Band Autumn Nostalgie im Oktober 2023 mit 757.000 Klicks auf Platz 2 der meistgehörten Alben. Damit ist amtlich, was den Fans der Musiker schon lange klar ist: Die Musik der bereits seit 2010 aktiven Band ist herausragend und sie gehört mit zum Besten, was das Genre der extremen atmosphärischen Musik zu bieten hat. Klar, dass wir uns um ein Interview bemühten und uns freuten, als Songwriter und Sänger A.G. (Gergely) bereit war, uns Rede und Antwort zu stehen.
Er erzählte uns, dass manchmal auch das Cover für den Erfolg oder Misserfolg eines Albums maßgeblich sein kann und dass er selbst mit der Popularität des Debütalbums eigentlich gar nicht gerechnet hat. Zur Musik sagt er, dass es Ziel der Band sei, mit Gitarren eine verträumte, nostalgische und traurige Atmosphäre zu schaffen. Ambient-Passagen gehören für ihn zu einer solchen Atmosphäre zwingend dazu. Begeistert zeigt er sich von der Zusammenarbeit mit dem sächsischen Label Northern Silence Productions und den bisherigen Live-Aktivitäten der Band in Deutschland.
UG: Hallo, ich bin Skog. Toll, dass Du Zeit für uns hast. Vorab: Bei Eurer Musik bin ich befangen; Ihr seid eine meiner Lieblingsbands. Stell Dich und Autumn Nostalgie bitte kurz vor. Wer seid Ihr und wer macht bei Euch was?
A.G.: Hallo Skog! Vielen Dank für die Gelegenheit zum Interview. Die Band wurde irgendwann um 2010 herum gegründet, damals war es eine Ein-Mann-Band. Am Anfang spielten wir Dark Ambient, aber wir haben uns schnell zu einer Post Black Metal Band entwickelt. Heute besteht unsere Band aus vier Mitgliedern, so dass wir Live-Gigs spielen können. Wir werden oft eingeladen und freuen uns, dass es auch auf der Bühne eine Nachfrage nach unserer Musik gibt.
UG: Im YouTube-Kanal "Atmospheric Black Metal Albums", der immerhin deutlich über 100.000 Follower hat und seit rund 5 Jahren aktiv ist und permanent neues Material promotet, steht Euer Album "Esse Est Percipi" mit über 700.000 Zugriffen auf Platz 2 der meistgestreamten Alben. Was kriegst Du von dem Hype um Eure Musik mit?
A.G.: Das hat auch mich überrascht. Mir ist nicht ganz klar, warum unser Album so populär geworden ist. Vielleicht hat das Cover zu diesem Ergebnis beigetragen. Meistens ist es das Erste, was den Hörer fesselt, und die Musik ist nur ein Extra, das das Kunstwerk überdeckt. Beides zusammen funktioniert sehr gut und verleiht der Musik genügend Tiefe. Obwohl es ein schwieriger Weg war, die Nutzungsrechte für das Bild zu bekommen, hätte ich mir kein anderes Cover für die Musik vorstellen können. Als ich das Album fertig hatte, wollte ich mich nicht gleich nach einem Label umsehen, sondern erst einmal sicherstellen, dass es bei den Leuten ankommt. Zum Glück musste ich mich dann gar nicht aktiv nach einem Label umsehen, weil ich mehrere Angebote bekam. So landete meine Musik in sehr guten Händen bei Zero Dimensional Records in Japan und Northern Silence in Deutschland.
UG: Ihr singt in ungarischer Sprache, seid aber eine Band aus der Slowakei. Erklär mal kurz die Hintergründe.
A.G.: Die Erklärung ist einfach, denn meine Muttersprache ist Ungarisch. In der Slowakei, wo ich lebe, gibt es eine sehr große Minderheit von Ungarn. Dafür gibt es historische Gründe. Es war nicht von Anfang an eine Frage, welche Sprache ich verwenden würde. In vielen Liedern wird bereits auf Englisch gesungen, und die ungarische Sprache verleiht der Musik ohnehin eine zusätzliche Dimension. Die Songtitel sind auf Englisch, weil sie auf Ungarisch nicht besonders gut klingen. Ich wollte mich der angelsächsischen Welt öffnen, aber ich wollte die Sprache der Texte hier im Karpatenbecken behalten.
UG: Wie ist die Black Metal Szene in der Slowakai und in Ungarn?
A.G.: Ich bin mit der slowakischen Black-Metal-Szene nicht sehr vertraut, weil ich immer die ungarische Szene verfolgt habe, aber es gibt einige sehr gute Bands in der Slowakei. Ich würde definitiv Malokarpapan, Strigor und Solipsism erwähnen. Und in Ungarn hat der Underground sehr gute Bands, z.B. die Klassiker wie Witchcraft, Marblebog, Forest Silence, Tymah.
UG: Kommen wir mal zum Genre: Ist Eure Musik atmosphärischer Black Metal oder würdest Du sie schon dem Post Black Metal zuordnen wollen? Und mal unabhängig vom Genre: Worauf legt Ihr bei Eurer Musik besonderen Wert?
A.G.: Zu Beginn von Autumn Nostalgie habe ich den Stil der Band als Post Black Metal definiert, aber heutzutage ist Post Black Metal ein so weit gefasster Begriff, dass ich die Band nicht wirklich als solchen einstufen würde. Ich höre mir das Post BM-Genre heute nicht mehr wirklich an. Es ist irgendwie aus der Form dessen herausgerutscht, was vor 10 Jahren wirklich gut war. Man sollte auf jeden Fall die Le Secret EP von Alcest erwähnen, die meiner Meinung nach das Genre begründet hat. Seitdem hat sich das Genre in etwas anderes verwandelt, nicht in das, was Alcest geschaffen hat. Man kann unsere Musik nur insofern als Post Black Metal bezeichnen, als sie melancholischer und manchmal auch beschwingter ist als der klassische Black Metal.
UG: Auf beiden Alben gelingt es Euch, durch charakteristische Tremolo-Melodien eine einzigartige melancholische Atmosphäre zu schaffen. Eure wunderschönen und zugleich meist verträumten Melodien kombiniert Ihr mit genretypischem Gesang und erschafft damit eine Kulisse, die melancholisch und zugleich intensiv, manchmal auch optimistisch, aber immer berührend klingt. Das mal meine Wahrnehmung aus der Laiensicht. Ist das so von mir richtig beobachtet worden? Wie würdest Du selbst Eure Musik beschreiben?
A.G.: Von Anfang an war es mein Ziel, mit den Gitarren eine verträumte, nostalgische, traurige Atmosphäre zu schaffen. Ich habe nie zu viel Wert auf das Schlagzeug gelegt, denn das hätte von den Gitarren abgelenkt. Aber heute denke ich anders. Es ist uns gelungen, einen Schlagzeuger zu finden, Adrián Gőgh, der den Schlagzeugbereich übernommen hat und die Musik mit seinen Schlagzeugthemen sehr gut ergänzen kann. Alle Songs von Autumn Nostalgie könnten unter demselben Thema stehen: Nostalgie. Sie kann auf glückliche und traurige Weise gelebt werden. Von den beiden Alben versucht Ataraxia, ersteres zu repräsentieren, Esse Est Percipi letzteres.
UG: Welche Rolle spielen die Ambient-Passagen? Gehört Ambient für Euch zum Black Metal dazu?
A.G.: Ich denke, dass es den Black Metal sehr gut ergänzt. Wenn man sich die Anfänge ansieht, haben sie viele Ambient-Elemente in ihrer Musik verwendet. Später ging der Ambient über den reinen Black Metal hinaus und verlieh ihm eine ganz andere Atmosphäre. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind zum Beispiel die deutschen Lunar Aurora oder die ungarischen Forest Silence. Sie schufen hervorragende Veröffentlichungen mit einer Überbetonung von Ambient-Elementen. In Autumn Nostalgie sind diese Motive ebenfalls vorhanden, mit dem Unterschied, dass wir keine Synthesizer verwenden, um die Ambient-Atmosphäre zu erzeugen, sondern Gitarren. Von Anfang an hat Ambient die Musik dominiert, denn die Anfänge von Autumn Nostalgie liegen in der Dark-Ambient-Formation Fekete Erdő.
UG: Wie klappt die Zusammenarbeit mit dem sächsischen Label Northern Silence Productions?
A.G.: Als Esse Est Percipi mit freundlicher Genehmigung von Zero Dimensional Records in Japan auf CD veröffentlicht wurde, wurde ich kurz darauf von Torsten, dem Leader von Northern Silence, kontaktiert. Er fragte mich, ob ich das Debütalbum mit ihnen auf Vinyl veröffentlichen wolle. Ich war sehr aufgeregt über diese Gelegenheit und habe fast ohne nachzudenken zugesagt. Es ist toll, mit ihm zu arbeiten, er kann qualitativ hochwertige Veröffentlichungen herausbringen. Seitdem hat er alle Sachen der Band veröffentlicht, sei es auf CD, Vinyl, Kassette oder Merch.
UG: Ihr habt beim Wonnemond Warmup 2023 in Deutschland live gespielt. Sind weitere Liveaktivitäten in Deutschland geplant? Freut Ihr Euch über Support und Anfragen aus Deutschland?
A.G.: Der Organisator des Konzerts schrieb uns und fragte, ob wir an der Veranstaltung teilnehmen wollten. Wir haben uns sehr über die Gelegenheit gefreut, weil wir gerne in Deutschland spielen. Letztes Jahr konnten wir dort zwei Konzerte spielen und sind immer zufrieden zurückgekommen.
UG: Worauf legt Ihr bei Euren Lyrics besonderen Wert?
A.G.: Philosophische Gedanken und Offenbarungen inspirierten die Atmosphäre der Musik. Die Texte sind in eine musikalische Atmosphäre eingebettet, in der sie denjenigen, der sie liest, beeinflussen können. Einerseits sind die Texte eine sehr persönliche Annäherung an den subjektiven Idealismus, aber über die Symbole hinaus sind sie verständlich, und es gibt viele Bezüge zu verschiedenen Philosophen. Fichte, Jaspers, Aristoteles, Epikur, Nietzsche, Berkeley und Béla Hamvas haben die Texte geprägt und damit auch die Musik selbst. Jedes Album hat einen anderen Zugang zum Problem des subjektiven Idealismus. EEP ist viel düsterer und trauriger als Ataraxia. Ich habe den Grund dafür auf unserer Bandcamp-Seite erklärt, falls Du die ganze Geschichte lesen willst.
UG: Vielen Dank für die spannenden Einblicke!
Das Gespräch führten Almásy Gergely und Skog für Undergrounded. Mehr Informationen findet ihr hier:
https://www.facebook.com/Autumn.Nostalgie.Official/
https://autumnnostalgie.bandcamp.com/
https://www.facebook.com/NorthernSilenceProductions
https://www.youtube.com/watch?v=OT6nsCJx-yY&t=1086s
https://www.youtube.com/watch?v=gphfy5zrH3o&list=PLASBHqZGa2twox6z3zS9kF3GYgqEG5w9z