Von Kontaktschuld und anderen überraschenden Marketing-Stolperfallen
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Von Kontaktschuld und anderen überraschenden Marketing-Stolperfallen

Die Welt, in der wir am Samstag, den 15.07.2023, aufgewacht sind, ist wohl nicht mehr die Welt, die wir bisher kannten. Turborocker und Wacken Headliner Cendre haben sich von Boötes Void distanziert - und sich im Zuge dessen zum Hartschnack-Podcast sowie zum Festival Under The Black Sun positioniert!

  • von Anna Apostata
  • 16.07.2023

Nachdem Anfang des Jahres schon das berühmte Untier-Kollektiv (2 Bands, 1 Like auf MySpace) aufgrund unüberbrückbarer Differenzen zwischen den Mitgliedern aufgelöst werden musste (Bassist Sören weigerte sich seinen Sellerie mit veganer Marmelade zu schmieren – wir berichteten nicht), scheint es jetzt mehr als ernst zu sein und es wurden drastische Schritte eingeleitet. 

SCHOCK: Alle weiteren gemeinsamen Konzerte mit Boötes Void wurden abgesagt!

Die wenigen unter euch, die diesen Gamechanger innerhalb der Black Metal-Szene nicht mitbekommen haben, können hier das Statement von Cendre nachlesen. ACHTUNG: Erschütternde Aussagen, wir empfehlen einen bequemen Stuhl und den obersten Knopf der Hose zu öffnen:

Aber mal zu den harten Fakten: Wirklich keine Sau hat bis gestern irgendetwas von Cendre, geschweige denn vom Untier-Kollektiv gehört. Aber wir haben uns für euch für zwei Minuten hart aus dem Fenster gelehnt und eine knappe Minute recherchiert: 

Vor zwei Jahren hat die Dortmunder Atmospheric Post-Black Metal-Band Cendre eine EP und ein Full-length rausgebracht - wenn man dieses mit einer Spielzeit von knapp über 34 Minuten als Full-Length bezeichnen kann. Gemeinsam mit der Depressive Black Metal-Band Amimia gehörten Sie bis Anfang des Jahres dem „Untier-Kollektiv“ an. Der Auftritt von Boötes Void im Podcast der Kollegen von Hartschnack hinterließ aufgrund eines gemeinsam gespielten Konzerts in Würzburg heftige Spuren. Dass einer der Moderatoren auch noch Stage-Manager beim Festival Under The Black Sun ist und der Stammbaum lückenlos bis nach 1933 und sogar davor zurückverfolgt werden konnte, hat das Fass nun endgültig zum Überlaufen gebracht. Aus Sicht von Cendre musste klare Kante gezeigt werden, um nicht von Dritten in dieselbe Kausal-Falle getappt zu werden. Eine öffentliche Distanzierung und Positionierung musste her. Was haben wir alle gelacht! Herzlich! In Gruppenchats, in den Kommentaren unter dem auf verschiedenen Seiten geteilten Beitrag, mit Freunden und Bekannten und auch mit völlig Unbekannten. Es war magisch und die Klickzahlen explodierten.
 

"Diese Angelegenheit sowie weitere Sachverhalte zur Faktenlage rund um die Band Boötes Void haben zu einer regen Diskussion innerhalb des Untier-Kollektivs und auch innerhalb Cendre selbst geführt. Nach einer hitzigen Diskussion über das Ziel des Untier-Kollektivs und darüber, wo die "Grauzone" anfängt, gab es schlussendlich keine Einigung und das Kollektiv wurde folglich aufgelöst".

Als Leser bleibt man trotz Unterhaltungswert nur verwundert zurück. Die Hauptaussage geht nicht zusammen mit dem, was drumherum in vielen Worten beschrieben wurde. Da stellt man sich die Frage, worum es hier eigentlich geht? Wer sich nicht links von links positioniert, sobald die kleinste Vermutung von Kontaktschuld besteht und sich nicht für Auftritte in Podcasts entschuldigt, ist raus? Oder wurde hier die Gunst der Stunde genutzt, die Wut auf die Band Boötes Void aufgrund der Zerschlagung des Kollektivs ausgeschlachtet, um auch auf den Links-Zug aufspringen zu können, um sich als die besseren Menschen darzustellen und gleichzeitig wenigstens einmal ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen? - Kluge Werbung für sich - oder doch für Boötes Void, die in dieser Woche ihr zweites Full-length "Singularity" veröffentlichten? Alles nur Vermutungen, die aber bei weitem nicht unbegründet sind.

Und nachdem das letzte Lachtränchen weggewischt war, muss sich doch gefragt werden, ob das alles wirklich so zum Lachen ist. Denn das, was von der Band geschrieben und locker flockig ins Internet geschmissen wurde, hat es definitiv in sich. Das Rechts-Framing geht zur heutigen Zeit viel zu leicht über die Lippen.

"Die Podcastfolge behandelt thematisch die üblichen Themen im Black Metal rund um rechtes Gedankengut in der Szene, Trennung von Kunst und Künstler etc." - Hier wird zweierlei suggeriert. Zum einen wird der Eindruck erweckt, als würde es weder im Black Metal, noch bei Hartschnack um andere Themen geben. Bei genauerer Betrachtung kann dies als pauschale Verurteilung bisheriger Gäste des Podcasts verstanden werden, was in verschiedene Richtungen eine absolute Frechheit darstellt. Zum anderen wird die nicht-Distanzierung zur sogenannten und hier nicht näher definierten "Grauzone" mit Rechtsextremismus in einen Topf geworfen und diese Gleichsetzung muss ein Ende haben!

Zu unterstellen, dass rechtes Gedankengut vertreten wird, um dann irgendwelche öffentlichen Distanzierungen von einer Band einzufordern (Wer seid ihr eigentlich?), ist natürlich marketingtechnisch gesehen erste Sahne. Zum einen wird in der eigenen Bubble der Eindruck erweckt, als sei man total integer, auf der anderen Seite können beruhigt weiter Konzerte mitgenommen und einfach später distanziert werden. Ein Verhalten, das sonst nur durch nasse Handtücher bekannt ist!

Es ist erschütternd wie leichtfertig Unterstellungen postuliert werden, wenn sich entsprechende Personen in rein politischen Bubbeln bewegen und diese anderen aufindoktrinieren wollen. Dabei scheinen die extremen Lager alles politisieren zu müssen. Sie vergessen, dass es bei anderen Menschen nicht immer ausschließlich um Politik geht und auch wenn politische Themen angesprochen werden, es nicht heißt, dass ein Podcast gleich eine politische Plattform darstellt oder solche Ziele verfolgt.

Macht euch klar, was rechtes Gedankengut wirklich ist. Was rechte Gesinnung wirklich ist. Was es folglich bedeutet rechtsoffen zu sein und schlussendlich, was es bedeutet, Leute öffentlich zu diffamieren nur um den Like-Train einer vollkommen irrelevanten Band anzuschieben und eine Shitshow zu monetarisieren. Da geht es nämlich nicht mehr plötzlich um irgendein Kollektiv, das niemals von Bedeutung war. Da geht es in aller Konsequenz um Existenzen und um die finale Aufspaltung in Links und Rechts die nur in den Köpfen der letzten Verlierer existiert.


„Peace“
Anna

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Anna Apostata

Aika, Multaa, Muistot.

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