Uuund es ist mal wieder so weit. Der Arsch ist geplatzt und mir bleibt nichts Anderes übrig, als Mal wieder Stellung zur Idiotie zu nehmen, die sich rund um das weltgrößte, seelenloseste und kommerziellste Metal-Massenevent ergeben hat. Und alles nur, weil's vollkommen unerwartet geregnet hat. Aber von vorn: Wer unter einem Stein gelebt hat, bekommt die Events der letzten Tage im Schnelldurchlauf.
Im Norden schüttet es (unerwarteterweise) wie aus Eimern und macht einen Acker nahe dem kleinen, beschaulichen Wacken nass. Soweit, so unspektakulär. Wäre da nicht der Umstand, dass sich genau dort ca. 85.000 Menschen (hauptsächlich Kegelclubs, Junggesellinnenabschiede und Menschen, die Sabaton noch nie live gesehen haben) einfinden, um auf ein paar m² 'nen riesen Fetz zu veranstalten. Für knapp 300 Euro. Im Dreck. Zu „Die Broilers“ und „Deine Cousine“. Soweit zumindest der Plan.
Nun hat es da aber so hart geregnet, dass sich nach dem Befahren einer oder mehrerer Zufahrtstraße(n) (mit dem einen oder anderen abgefuckten Nissan Fister 1.0 Vollgewicht 800kg) die gesamte Straße in eine Schlammhölle verwandelt hat. Diese Straße(n) lassen die Wege am Wolchow im April 1942 wie einen leichten Spaziergang wirken und zwingt/zwingen das "Wackne" dazu, erst einen Anfahrtsstopp und dann einen Anfahrtsabbruch der 30.000+ armen Schweine zu verkünden, die nicht so verrückt waren, sich für das Volksfest eine ganze Woche Urlaub zu nehmen und schon vor Ort waren.
Für jeden anständigen Troll wie mich, der den Kommerz mindestens genauso verachtet, waren die letzten beiden Tage absoluter Zucker und die Kommentarspalten liefen voll. Mit einer Rechtschreibungsverachtung des Todes und der Vernichtung wurde jedes Update der Wackenseite mit Beileids- und oder Solidaritätsbekundungen vollgeschissen, dass es jedem Deutschlehrer die Kugel erst in den Lauf und dann in die Fontanelle treibt - während eine kleine aber feine Anzahl von Menschen leise Kritik äußerte, aber sofort von der "Mertalfamilie" auseinandergebaut wurde.
Von eben jener großen "Mertalfamilie", die immer zusammensteht, war da die Rede. Von den großartigen Anstrengungen, die das Wackne-Orgateam vollbracht habe, um das Festival „doch noch zu retten“. Von den vielen Freiwilligen, die mitunter das Bett der jugendlichen, aber vielleicht etwas schwachsinnigen Tochter wildfremden „Brüdern im Metal“ im nahen Hannover anboten, um zumindest einen Platz für die Nacht zu spenden. Von den Unternehmen, die Parkplätze zum Parken anboten, und von kleinst-Festivals, die den Schulterschluss mit "Wackne" suchten und 'nen 10er Ticketerlass feilboten oder aus Kackstelzenhagen (800km entfernt) Support anboten. Alles für die armen gestrandeten Seelen, für die Brüder und Schwestern im Mertal und -vor allem- alles für die armen Organisatoren.
Immer wieder wurde Verständnis geäußert. „Mit so viel Regen konnte ja keiner rechnen“. „Niemand hätte auf so eine Situation vorbereitet sein können“. „Es gibt einfach keine Alternativen, was man hätte noch tun können“. „Großartige Arbeit unter diesen Umständen“.
Ja, haltet doch alle mal euer Maul!
Wisst ihr, was da tatsächlich passiert ist? Da hat nicht irgendein schrulliger, aber liebenswerter Körperklaus ohne Erfahrung ein kleines Herzblut-Festival mit 400 Leuten "so en bisle" in den Sand gesetzt. Da hat ein Multimillionen-€-Gewinn-Konzern absolute Fehlplanung betrieben. Komplett beim Krisenmanagement verkackt und obendrein ein Drittel der zahlenden Kunden gefickt. Nicht ein bisschen, sondern so richtig, ohne Gleitgel, aber mit Anlauf. Anreise mit dem Flieger von Übersee? Mietwagen? Zugfahrt PLUS 300 Schleifen Tickets?
„Haha fuck you, ihr kommt hier net rein - und wenn wir nicht AGB-konform canceln, behalten wir die Kohle der 55.000 Leute, die schon da sind, was immer noch reicht und die anderen kommen ja doch wieder, weil WACKNÖÖÖÖ!!!“
Und das einfach, weil man von einer WOA Festival GmbH nach 30+ Jahren Erfahrung und mit einem verdammt guten Wetterbericht nicht erwarten kann, dass sie ein paar km Wege mit Bio-Sägespänen erst sichern und dann mit Bodenmatten haben auslegen lassen - während die Campingflächen an sich als Wiese fast nicht problematisch waren/sind.
Wisst ihr eigentlich, wie viele Hackschnitzel man mit einer Million Euro bekommt? 20.000 KUBIKMETER, je nach Qualität... Damit kann man einmal Wacken begraben und nie wieder ausbuddeln. Wisst ihr, was 35.000 Tickets à 299 Euro ergeben? 10,5 Millionen... Aber ja, der Aufwand hätte ja die Marge gekürzt, wäre eventuell en bisle schwierig gewesen, wieder abzutransportieren, und hätte ja mehr gekostet. Oh, und der Gewinn (für die BWL-Abbrecher unter euch: Das ist das Geld nach Steuern und allen Ausgaben) insgesamt waren btw. 30+ Millionen Anno 2019, weil ich grad keinen Bock hatte, neuere Zahlen zu suchen.
Aber fuck it - und oh ja, ich hab hier die Zeit meines Lebens, weil ich das mache, was ich am Besten kann, und am liebsten tu. Zu sehen (und zu kommentieren), wie schnell es mit der großen Mertal-Familie vorbei ist, wenn die Scheiße nach hinten los geht. Man lese sich nur mal die Kommentare der berechtigt verärgerten Leute bei Social Media durch, die dem Eventhünen jetzt mit ihrem Frust und mit ihrer Wut kommen. Nochmal fürs Protokoll und für die ganz Langsamen unter euch:
Ihr seid keine Brüder und Schwestern. Ihr seid einfach Zahlvieh. Von einer Multimillionen-Euro-Unternehmung, die willkürlich eure Brüder und Schwestern aussortiert, wenn sie verkackt und keine Lust auf eine Lösung hat. „Wir wünschen allen Brüdern und Schwestern viel Spaß dort und hoffen, dass die, die es leider leider, leider nicht geschafft haben, zumindest genug Gel finden, um sich dann fein selber zu ficken. Sorry Sorry Sorry.“
Ich gratuliere zu der Familie!
Oh und zu den ganzen Wald- und Wiesenfestivitäten, die sich jetzt in Solidarität und Verständnis üben, weil's ja auch Klicks von Dullis bringt und euch im Licht von Wacköön positioniert: "Wackne" fickt seit 30+ Jahren die Szene und nimmt euch, wo sie nur können, die Luft, das Geld und die Klientel zum Atmen. Jeder von euch, der von Kostendruck überrannt wird, ist nur eine weitere Leiche, über die der Wacken-Konzern pfeifend und lachend drübersteigt. Der einzige Vorteil ist, dass der echten Szene die schlimmsten der 85.000 Mundatmer erspart bleiben, die neben Wacknö und Santiago noch nie was anderes gesehen haben und mit ihren Brütern und Schweggstern im größten Loch der Nation unter sich bleiben.
Naja zumindest unter denen, die reindurften. In diesem Sinne wünsche ich den echten Metalheads noch einen nicht ganz so verregneten Festivalsommer und den kleinen Events viel Erfolg und Glück – ihr habt's zumindest verdient.
Update:
Die Mertal-Family lässt Wacken ihren Zorn spüren. Das Wackne Festival 2024 ist noch vor jeder Bandankündigung in Rekordzeit für 34 Euro Mehrpreis (333 statt 299) vollständig ausverkauft. Das wird die Organisatoren lehren, dass sie mit absolut allem davonkommen und die Kundschaft den IQ einer durchschnittlichen Wassermelone nach falscher Lagerung besitzt.
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