Tomb Mold - The Enduring Spirit
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Tomb Mold - The Enduring Spirit

Eins muss man Tomb Mold lassen. Sie geben dem Hörer mit „The Perfect Memory“ gleich am Anfang die Chance, das Album sofort wieder wegzulegen. Die ersten 20 Sekunden zeigen auf, was man zu erwarten hat, nämlich Jazz. Fieser, gemeiner, Metalmathcore. Noch nichtmal der Versuch zu irgendeiner Sekunde auch nur ein bisschen Sinn zu machen oder der Wunsch Instrumente aufeinander abzustimmen.

  • von Grave
  • 11.01.2024

„The Perfect Memory“ macht den Eindruck, dass jede einzelne Komponente eingespielt wurde, ohne dass man auch nur geplant hätte, noch eine andere dazuzupacken. Oder alle. Oder drei. „Komm, du growlst hier mal ein bisschen, wie lange ist eigentlich egal, wir gucken nachher wie viel wir davon nehmen.“ - „Kannst du mit der Gitarre in ca. 5 Wochen einfach mal 20 Minuten ein wirres Gitarrensolo spielen, wo jede einzelne Note deplatziert wirkt?“ „Und Trommelpeter, du machst bitte das Gleiche, allerdings in drei Monaten und am Besten auf einem anderen Kontinent, nur um Sicherzugehen, dass die Jazz-Experten nicht auf die Idee kommen, einen Takt vorzufinden.“ 

Wer jetzt noch dabei ist darf sich sicher sein, dass das komplette Album für die absolute Elite der Musikhörer geschrieben wurde. Die Art Hörer, die sich bei einem Cognac in verrauchten Kellern trifft, über Wittgenstein philosophiert, sich gegenseitig an den Fürzen riecht und sich danach auf die Schulten klopft, welch eklektischer Ohrenschmaus da nun wieder kredenzt und goutiert wurde.

Back to topic, der Übergang zu „Angelic Fabrications“ kommt so plötzlich wie „The Perfect Memory“ geendet hat. Ein harter Cut, der einem nicht die Zeit lässt das Gehörte überhaupt zu verarbeiten oder das Blut aus den Ohren zu waschen. Ja komm, keine Zeit, lass mal weiterknödeln, hier passt eh nichts zusammen da können wir genauso nen anderen Titel drübernageln. Wie lange machen wir das? Ja das wird ein Kurzes, sagen wir 04:30 und wir klampfen einfach ein Basssolo rein, das hatten wir noch nicht und die Gitarren wirken danach noch unpassender, Win-Win. 

Wie? Bei 03:30 klingelt der MCDonalds Lieferdienst? Ja lass so, merkt eh keiner und ich hab echt bomben Hunger von all der wissenschaftlichen Geistesarbeit, diesen musikalischen Van Gogh einzuspielen.

„Will Of Whispers“ wurde wahrscheinlich im Fairmont Royal Hotel in Toronto als One-Taker in einem defekten Aufzug (Baujahr 1925) geschrieben -und läuft da jetzt den ganzen Tag auf Repeat um die Gäste zu verschrecken. Das Hotel liegt im Herzen der Stadt und nur wenige Minuten vom CN Tower, dem Ripley's Aquarium of Canada und dem Sony Centre for the Performing Arts entfernt. Alles Locations, in der Tomb Mold jetzt verständlicherweise Hausverbot haben. 

Auch Fate's Tangled Thread beginnt wie eine Proberaumsession, in der die Musiker keinen Bock aufeinander hatten. Erneut bekommt man den Eindruck, dass alle kurz vor der Session einen schweren Unfall mit einem überdimensionalen Schiffshorn erlitten und nicht hören konnten, was der jeweils Andere zum Zeitpunkt der Aufnahme eigentlich gerade so tut. Der Rest war wie erwartet schlicht die vollständige Ablehnung eines Rhythmuskonzeptes. Oder Gnade mit dem Soundengineer, der wohl spätestens nach dieser Jazz-Session seine Berufsentscheidung bereute.

„Flesh As Armour“ ist ein Track, der Metal sein könnte. Zumindest wenn man ein autistisches Wiesel mit 5 Daumen fragen würde, was Metal sein könnte. Auch hier wird wieder Kilometer voneinander entfernt hart vor sich hingeknödelt und nach jeder Note überlegt, wie man noch mehr Distanz zwischen sich und eine Melodie und die Instrumente bringen könnte. Das schafft „Flesh As Armour“ mit einer fast schon alptraumhaften Exzellenz, die mich wünschen lässt, ich wäre ohne Trommelfell geboren.

„Servants Of Possibilty“ ist eine Falle. Die Drums geben tatsächlich so etwas wie einen angenehmen Takt vor und man hat sogar ein Riff drin, das Sinn macht! Zumindest für die ersten 45 Sekunden und ZACK kommt der Mathcorejazzhandkantenschlag in den malträtierten Nacken. Ich kann nur erahnen wie der Dialog beim Schreiben des Songs gewesen sein muss: 

"Hey, HEY DERRICK – leg mal kurz die Gitarre weg. Hast du gemerkt dass da zu viel Melodie drin war? Fuck it wer sind wir denn? Warum sollten wir zusammenspielen? Du machst am Besten das, was du eh am Besten kannst und zwar was komplett anderes, oder?“ - 

„Tolle Idee Max, muss ich dazu im gleichen Raum wie du sein oder brauch ich Notenblätter?“ „HAHAHAHA das war ein Guter, lass mich eben nochmal das lustige Brett mit den vierzig Pedalen vor mir treten und gucken, was meine Gitarre dieses Mal macht!“

Allein der Titel „The Enduring Spirit Of Calamity“ ist die wohl wildeste Verhöhnung einer Audienz die ich je gehört habe und niemand kann von mir erwarten dass ich das auch noch anhöre.

Trackliste:
1. The Perfect Memory (Phantasm of Aura)
2.  Angelic Fabrications
3.  Will of Whispers
4.  Fate's Tangled Thread
5.  Flesh as Armour
6.  Servants of Possibility
7.  The Enduring Spirit of Calamity 

Fazit:
Das Ding gibt’s auf CD. Auf Kassette. AUF Vinyl in MEHREREN AUSFÜHRUNGEN. Und während ich hier irre vor mich hin lache, sind ein paar davon ausverkauft. AUSVERKAUFT. Ich gebe gern zu, dass ich wahrscheinlich schlicht zu dumm für diese Art „Metal“ bin, aber gütiger Gott, bevor ich anfange sowas zu Hören, habe ich mit Wurzelbehandlungen ohne Betäubung ein neues Hobby...

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Grave

Der, der hinter den Reihen wandelt.

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